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#Auslandsaufenthalt #Bildung #Bildungsgerechtigkeit

Tricontinental Teacher Training: Unser Schulpraktikum in Ghana

Hirbod Motamedi und Nana Ofosuaa Oduro-Opuni, Horizonte-Geförderte

Das Tricontinental Teacher Training (TTT) ist ein Austauschprogramm für Lehramtsstudierende, das den Teilnehmenden unterschiedliche Schulsysteme nahebringt und interkulturelle Kompetenzen vermitteln soll. Dabei kooperiert die Universität Hamburg mit zwei weiteren Universitäten: der University of Education, Winneba (Ghana), und der University of North Carolina at Chapel Hill (USA).

Wir – Nana und Hirbod – sind beide seit 2020 bzw. 2021 Stipendiat:innen im Förderprogramm Horizonte. Nana studiert Lehramt für die Primar- und Sekundarstufe I mit den Unterrichtsfächern Englisch und Geschichte und Hirbod Lehramt für Gymnasien mit den Unterrichtsfächern Biologie und Englisch.

Unsere Reise nach Ghana begann am 11. Februar 2022 in Hamburg – doch die Vorbereitungen gingen bereits mehrere Wochen davor los. Die Gelbfieberimpfung, die man bei der Einreise in Ghana vorzeigen muss, die Malariaprophylaxe und die passende Kleidung waren nur drei Punkte, die schon frühzeitig erledigt werden mussten. Wir befanden uns zudem Mitte Februar noch im Kernpraktikum II, welches alle Lehramtsstudierenden der Universität Hamburg absolvieren müssen. Erst nach Absprache mit unseren Seminarleitungen und unseren Praktikumsschulen wurde uns die Reise nach Ghana ermöglicht; zusätzlich wurde uns ein Teil des Auslandspraktikums für das Kernpraktikum II angerechnet, was die Entscheidung, nach Ghana zu fliegen, nochmals erleichterte. Hierfür sind wir rückblickend sehr dankbar. Trotz der wochenlangen Vorbereitungen realisierten wir erst am Morgen des Abflugs, dass das Praktikum in Ghana nun tatsächlich stattfindet, und wir waren glücklich, aber auch aufgeregt. Nach einem anstrengenden Hinflug, mit einem Zwischenstopp in Amsterdam, kamen wir abends in der Hauptstadt Accra an. Dort wurden wir von unseren Buddies abgeholt und mit einem extra für uns organisierten Bus nach Winneba gefahren. Unsere Buddies waren Lehramtsstudierende aus Ghana, welche sich auch für das TTT-Programm beworben hatten. Während unserer ganzen Reise waren wir im ständigen Kontakt zu ihnen und sie halfen uns, in Ghana zurechtzukommen. Während dieser vier Wochen in Winneba waren wir in einem Hostel in Campus-Nähe untergebracht, wo wir von sehr hilfsbereiten Mitarbeiter:innen empfangen und betreut wurden. Winneba ist eine wunderschöne, eher kleinere Stadt an der Küste Ghanas, die man gut zu Fuß sowie mit dem Taxi erkunden kann. Außerdem ist Winneba für die University of Education bekannt. Während unseres Praktikums durften wir dort in unserer jeweiligen Praktikumsschule hospitieren, selbstständig unterrichten und so von Montag bis Freitag hautnah erfahren, wie das Schulsystem in Ghana funktioniert und welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten es im Vergleich zum deutschen Schulsystem gibt. Zusätzlich fanden wöchentlich Reflexionsseminare statt, in denen wir unsere Gedanken, Ängste und Bedürfnisse offenlegen konnten. Diese Seminare waren nur für uns deutsche Studierende gedacht, doch auch mit unseren Buddies konnten wir unsere Gedanken teilen, da sie uns immer mit Rat und Tat zur Seite standen. Unsere Freizeit an den Wochenenden konnten wir selbstständig gestalten. Wir nutzten diese Zeit, um Winneba und die umliegenden Städte und Regionen zu erkunden.

Hirbods Erfahrung

Für mich ging die Reise in ein komplett neues und fernes Land mit einer neuen Kultur. In den ersten Wochen musste ich mich an sehr viele Dinge gewöhnen, die ich aus Deutschland so nicht kannte – zum einen natürlich an eine neue Kultur mit anderen Sitten und Regeln, aber zum andern auch an das Schlafen unter einem Moskitonetz, das tropische Klima und das scharfe Essen. Gewisse Alltagsregeln, zum Beispiel, dass man niemals mit der linken Hand bezahlt oder jemanden begrüßt, lernte ich schnell. Meine Praktikumsschule war die Zion Girls School, eine gymnasiale Mädchenschule, welche ungefähr 400 Schülerinnen hat. Ich unterrichtete dort Biologie auf Englisch. Während meiner Zeit in der Schule sammelte ich sehr viele positive, aber auch einige irritierende Eindrücke. Lehrpersonen sind in Ghana in viel höherem Maße, als wir es in Deutschland kennen, Respektspersonen. Meine Klasse wollte beispielsweise nie, dass ich die Tafel saubermache, da das normalerweise die Schülerinnen machen. Der Ton gegenüber dem Lehrpersonal ist sehr höflich und respektvoll. Die Unterrichtsmethodik erwies sich als sehr lehrer:innenzentriert, sodass ich mich während meiner Hospitationen häufig an Vorlesungen erinnert fühlte. Gruppenarbeit oder kreatives Arbeiten erlebte ich während meiner Hospitationen nicht. Für meinen Unterricht versuchte ich, viele interaktive Methoden, wie beispielsweise Frage-Antwort-Spiele, zu nutzen. Ein Grund für die seltene Interaktion zwischen Lehrkraft und Schüler:innen könnte die Klassengröße sein: Klassen mit bis zu 40 Schülerinnen waren an meiner Schule üblich. Durch das Hospitieren, die herzliche Aufnahme durch die Schulleitung und den Austausch mit anderen Lehrer:innen konnte ich sehr viel über das ghanaische Schulsystem lernen. 

In der Schule wie auch während meines gesamten Aufenthalts fiel ich aufgrund meiner Hautfarbe auf. Die Menschen in Ghana kamen immer wieder auf mich zu, um zu fragen, woher ich komme und was ich in Winneba mache. Dies taten sie immer mit einer sehr respektvollen und freundlichen Haltung, sodass ich mich jederzeit wohl fühlte.

Nanas Erfahrung

Ich war schon zuvor in Ghana, der Heimat meiner Familie, gewesen. Trotzdem blickte ich der Reise sehr gespannt entgegen, da ein Auslandspraktikum natürlich etwas anderes ist als ein Familienbesuch. Ich durfte mein Praktikum an einer Grundschule, der Unipra North Primary School, direkt auf dem Campus der University of Education absolvieren. An dieser Schule werden speziell Lehramtsstudierende ausgebildet, sodass ich viele Praktikant:innen kennenlernte, die sich wie ich im Studium befinden. Es war sehr interessant und aufschlussreich zu erfahren, wie die Praktikumsphase von den ghanaischen Studierenden erlebt und wahrgenommen wird. Ich durfte beobachten, wie sie ihren Unterricht vorbereiteten und wie die sogenannten „Observations“, also Unterrichtsbesuche von den Mentor:innen, vonstattengingen. Des Weiteren wurde ich bereits nach einer Woche voll und ganz in das Unterrichtsgeschehen integriert und eingeplant. Ich gab Hilfestellungen während des Unterrichts und durfte Korrekturen durchführen. Für die Kinder war ich schnell eine Vertrauensperson, die für Fragen und Belange zur Verfügung stand. 
Ich hatte eine sehr aufgeschlossene und selbstbewusste Lehrerin als Mentorin, die mich gern in ihrer Klasse aufnahm und mir zeigte, wie das Unterrichten und das Schulleben in Ghana aussehen. Ihre 2. Klasse besuchten 60 Schüler:innen im Alter von sechs bis zehn Jahren – eine in Ghana übliche Klassengröße und Altersspanne. Die Kinder waren sehr respektvoll, diszipliniert und lernwillig. Dennoch erfuhr ich während meiner Geschichtsstunden, die ich auf Englisch unterrichtete, wie anspruchsvoll es ist, eine so große Gruppe von Kindern zu unterrichten und sicherzustellen, dass jede:r Einzelne mit einem Lernerfolg nach Hause geht. Ich bin sehr dankbar für diese Einblicke und die Möglichkeit, dass ich in Ghana unterrichten und hospitieren durfte.

Besondere Erlebnisse gab es auch außerhalb der Schule

Während der gesamten Zeit des Praktikums standen wir im ständigen Kontakt mit unseren ghanaischen Buddies. Jeden Tag begleiteten sie uns, beantworteten unsere Fragen und waren eine tolle Unterstützung. Sie investierten sehr viel Energie und Zeit, um uns die vier Wochen in Ghana so schön wie möglich zu gestalten. Zum Beispiel wurden innerhalb weniger Tage Wochenendausflüge für uns auf die Beine gestellt, bei denen wir unglaublich viel sehen und erleben durften. Zum Beispiel fuhren wir gemeinsam in die Eastern Region und schauten uns die Boti Waterfalls, sogenannte Zwillingswasserfälle, und den Aburi Botanical Garden, eine wunderschöne Pflanzenoase, an.

Ein sehr prägendes und beeindruckendes Ereignis war darüber hinaus der Unabhängigkeitstag in Ghana: Der 6. März ist seit 1957 ein nationaler Feiertag, der sehr groß und ausgelassen gefeiert wird. Mit diesem Tag wird die Unabhängigkeit Ghanas von Großbritannien gefeiert und es findet eine Parade statt, die im Fernsehen übertragen wird. Wir hatten das Glück, sie live mitzuerleben und mit der ghanaischen Bevölkerung zu feiern. Im Stadion in Cape Coast ergatterten wir Plätze und konnten so die Parade besonders gut verfolgen. Diese bestand unter anderem aus einem Marschwettkampf verschiedener Schulen, der Präsentation der unterschiedlichen Regionen in Ghana, der Vorstellung von hoch angesehen politischen Persönlichkeiten und aus einer Rede des ghanaischen Präsidenten. 

Das TTT-Programm in Ghana war ein Erlebnis, das wir beide nicht vergessen werden. Wir wurden mit offenen Armen empfangen und erhielten spannende Einblicke in das ghanaische Schulsystem. Als angehende Lehrkräfte durften wir selbst erleben, wie der Schulalltag in einem anderen Land aussieht – eine definitiv horizonterweiternde Erfahrung! Unser Wissen und vor allem die Fähigkeit, zu reflektieren, waren in dieser Zeit sehr gefragt und gefordert. Nicht zuletzt konnten wir das Land und die dazugehörige Kultur hautnah miterleben und kennenlernen. Ohne das große Engagement unserer ghanaischen Buddies und die Programmkoordination vor Ort wäre das alles nicht möglich gewesen. Dafür sind wir sehr dankbar!

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