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#Auslandsaufenthalt #Wissenschaft

Auf Namibia-Exkursion: Die Reise meines Lebens

Valentina Trischin, Stipendiatin bei Horizonte

Einen Monat lang durch Namibia reisen und sich dabei mit Geschichte und Geographie des Landes auseinandersetzen: Im September 2023 nahm ich an der Namibia- Exkursion der Universität Hamburg teil, die im Rahmen des Moduls „Große Exkursion“ des Instituts für Geograpgie unter der Leitung von Prof. Dr. Udo Schickhoff und M.Sc. Simon Strobelt, der auch Stipendiat bei Dissertation Plus ist, stattfand. Mit insgesamt fünf Minibussen sind wir in Kolonne durch die atemberaubende Landschaft Namibias gefahren und erlebten hautnah Landschaft, Kultur und Geschichte des Landes.

Für mich stand direkt nach der Veröffentlichung der Reiseziele fest, dass ich nach Namibia möchte. Ich war vorher noch nie auf dem afrikanischen Kontinent, hatte aber als Gesellschaftslehrkraft (Studienfach Geographie) bereits Berührungspunkte mit der Kolonialgeschichte Namibias im Curriculum und folglich im eigenen Unterricht. Deshalb wollte ich das geschichtliche Erbe und die Landschaft Namibias selbst erleben. Die Erfahrungen und Eindrücke der Exkursion werden auf jeden Fall Platz in meinem Unterricht finden, da sie die Dringlichkeit der gesellschaftlichen Dekolonialisierung deutlich sichtbar gemacht haben und ich nun ein tieferes Verständnis sowohl von geologischen und geographischen als auch von historischen Thematiken gewinnen konnte.

Namibia ist zweifellos ein Land der Kontraste und unsere 6.000 km lange Autoreise durch dieses faszinierende Land bleibt unvergesslich. Ein Highlight direkt zu Beginn der Reise war unser Besuch am Waterbergplateau, welcher geologisch spannend, mit seinem historisch bedeutenden deutschen Friedhof am Fuße des Berges aber auch ein Ort der historischen und kulturellen Kontroverse ist. Die unterschiedliche Würdigung der gefallenen Deutschen im Vergleich zu den Nama und Herero spiegelt die komplexen Aspekte der Kolonialgeschichte wider, die Namibia geprägt haben. Der Friedhof beherbergt nämlich nur die Gräber der in der „Schlacht“ gefallenen Deutschen, während an die ermordeten Herero und Nama lediglich eine kleine Gedenktafel am Rande des Friedhofs an die Opfer der deutschen Kolonialgeschichte erinnert. Die „Schlacht von Waterberg“ wird auch durch das Tsumeb Museum, ca. 200 km weiter nördlich, rhetorisch und bildlich als wahrhafte Schlacht dargestellt, was allerdings der Realität nicht ferner sein könnte: Die deutsche Kolonialmacht ging mit schwerer Artillerie gegen die rebellierenden Herero und Nama-Kämpfer vor und vernichtete den Großteil der Bevölkerungsgruppen. Dies wird mittlerweile als erster Völkermord des 20. Jahrhunderts bezeichnet und sollte sicherlich nicht als „Schlacht“, sondern als „Vernichtungskrieg“ benannt werden. Durch unseren Besuch am Friedhof und im Museum ist uns klar geworden, wie tief verwurzelt die Kolonialgeschichte in Namibia – und präziser noch – in der dort ansässigen deutschen Bevölkerung ist: Eine aktuelle Auseinandersetzung damit ist sowohl ihrerseits als auch seitens der Bundesrepublik Deutschland für die Dekolonialisierung des Landes dringend notwendig.

Die Reise führte uns ebenfalls zu den Living-Museums der San und der Himba, in denen die kulturelle Vielfalt anschaulich wird und zum Dialog mit der einheimischen Bevölkerung einlädt. Während das Living-Museum der San den Erwartungen weißer Touristen zu entsprechen schien, die gleichzeitig offen thematisiert und mit uns besprochen wurden, gewährte der Besuch bei den Himba einen authentischen Einblick in das alltägliche Leben dieses Volkes.

Die Begegnungen mit der Tierwelt, wie den Nilpferden im Kavango-Delta oder Löwen, Elefanten und Antilopen im Etosha-Nationalpark, verliehen unserer Reise durch die Feuchtgebiete und Wüstenlandschaften eine zusätzliche Dimension und ließen uns die Wildnis Namibias in ihrer ganzen Pracht erleben. Neben der reichen Fauna des Landes faszinierte uns auch die Flora der Wüstengebiete. Im Forschungszentrum Gobabeb, im Westen des Landes und unweit der Walfischbucht, lernten wir, wie die Vegetation sich den extremen Bedingungen anpasst. Aber auch, was man tut, wenn sich eine kleine studentische Gruppe (inklusive mir) nach Sonnenuntergang auf dem Weg zurück zur Forschungsstation endgültig im Brutgebiet der Wüstenspinne verläuft und von Kommiliton:innen gerettet werden muss. Teamwork wurde, vor allem an dieser Stelle der Exkursion, großgeschrieben.

Darüber hinaus haben wir Welwitschia Mirabilis-Pflanzen in ihrem natürlichen Habitat besichtigt, die oft auch als „lebende Fossilien“ bezeichnet werden. Diese Pflanze ist endemisch (einheimisch) in der Namib-Wüste und kann mehrere Jahrhunderte alt werden. Nach einem kurzen, spontanen Interview mit einem Forscher am Fundort einer Welwitschia Mirabilis stellte sich heraus, dass das von ihm untersuchte Exemplar nicht wie angenommen „nur“ 1.500 Jahre alt ist, sondern mehrere tausend Jahre alt sein kann.

Insgesamt war unsere Namibia-Reise eine reiche Mischung aus Abenteuer, Naturerlebnissen, historischer Reflexion und kultureller Begegnung, die nicht spurlos an mir vorbeigegangen ist. Diese Erlebnisse haben für mich nicht nur den Moment geprägt, sondern auch nachhaltige Eindrücke und Erkenntnisse hinterlassen. Nicht nur persönlich habe ich viel gelernt und mitgenommen, sondern auch für meinen zukünftigen Beruf als Lehrerin sehe ich einen hohen Stellenwert in dem Erlebten. Die Geologie des Landes veranschaulicht Prozesse, die im Klassenraum zwar unterrichtet werden, die ich aber nun hautnah erleben durfte und aus denen sich ein komplexeres Verständnis der Zusammenhänge ergeben hat. Die Geschichte des Landes zeigte mir außerdem die Gewalt der deutschen Kolonialherrschaft in Bezug auf die vielfältigen Völker, Sprachen und Kulturen Namibias auf. All das wird, auch im Rahmen des Curriculums für das Fach Gesellschaft, Raum in meinem Unterricht finden, in dem ich die Bedeutung der Aufarbeitung der deutschen Kolonialherrschaft betonen werde, um Schüler:innen für interkulturelle Sachverhalte zu sensibilisieren und Raum zu bieten, die eigene Position in der Gesellschaft zu reflektieren. 

Wir mussten mehr als zehn Mal die Reifen unserer Autos wechseln, unsere Fahrzeuge aus dem Sand ziehen und schieben, waren teilweise nicht auf die Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht im Zelt eingestellt und bekamen den Sand einfach nicht aus den Schuhen heraus – ich würde diese Reise dennoch jedes Mal wieder genauso mitmachen. Für mich war es ein einschneidendes Erlebnis und sicherlich die „Reise meines Lebens“.


 

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