Im Interview mit Frau Dr. Regina Back: „Musik hat einfach Power!"
Frau Dr. Regina Back ist Geschäftsführender Vorstand der Claussen-Simon-Stiftung. Die Claussen-Simon-Stiftung unterstützt seit über zwei Jahren die Angebote zur Begabungsförderung an der JMS. Dazu gehören Stipendien, die kostenfreie Teilnahme an bestimmten Leistungsklassen und eine ergänzende Workshop-Reihe für Schülerinnen und Schüler. Zusätzlich erhalten Schülerinnen und Schüler, die aus sozialen Gründen einer Förderung bedürfen, eine besondere, individuelle Begabungsförderung. Dank der Aktion #WASZÄHLT! der Claussen-Simon-Stiftung als Antwort auf die Pandemie konnten dringend benötigte Notebooks, Webcams, Soundstations und mobile Koffer angeschafft werden, die an die Lehrkräfte der JMS ausgegeben wurden und mit denen zahlreiche Schülerinnen und Schüler online erreicht werden konnten.
Redaktion: Stichwort Corona: Wie haben Sie die Pandemie bis jetzt erlebt?
Dr. Back: Die Pandemie bedeutet für uns in der Claussen-Simon-Stiftung, dass eine Vielzahl unserer Veranstaltungen ausfallen muss und dass wir einen Teil unserer Förderprogramme, die wir normalerweise über das Jahr hinweg anbieten, nicht durchführen können. Kein Mensch braucht Wettbewerbe um Förderungen in Zeiten von Krisen. Schnell wurde uns klar, dass Not in verschiedenen Bereichen entstehen würde. Natürlich bei den soloselbständigen Künstlerinnen und Künstlern, ebenso in Hochschulen. Aber auch, dass es für die Schulen zur Herausforderung werden würde, den Unterricht schnell umzugestalten und überhaupt aufrechterhalten zu können. Deshalb haben wir drei Nothilfe-Fonds aufgelegt, für Schulen, Hochschulen und Kunstschaffende. Die ganze Initiative haben wir unter das Motto #WASZÄHLT! gestellt und insgesamt eine halbe Million Euro in diese drei Fonds gegeben. Wir waren seither die ganze Zeit im vollen Arbeitsmodus. Von Zuhause aus. Begonnen hat diese Initiative am 16. März. Da wurden die Entscheidungen getroffen und das Geld bewilligt, das war drei Tage nach der Verkündung des Lockdowns.
Redaktion: Das ist sehr, sehr schnell geschehen. Was hat Sie dazu bewogen, so schnell umzustrukturieren und Gelder umzuschichten?
Dr. Back: In Krisenzeiten funktioniert man ja manchmal besonders schnell. Jedenfalls habe ich sofort verstanden, dass wir alles ändern müssen. Mein Team musste sofort ins Homeoffice umsiedeln, trotzdem wollte ich gewährleisten, dass es arbeitsfähig bleibt. Nicht in dem Sinne, dass alle ein Notebook haben, sondern auch, dass sie etwas Relevantes zu tun haben. Mir war klar, dass es eine besondere psychische Belastung bedeuten würde, wenn wir jede/-r für sich zuhause sitzen würden. Wir brauchen einen Sinn, der uns zusammen hält. Und als gemeinnützige Stiftung sind wir gerade in einer solchen allumfassenden Ausnahmesituation gefragt, schnell und unbürokratisch wirksam zu werden.
In diesen allerersten Tagen habe ich wenig geschlafen, ich habe nachgedacht, wie wir dort, wo es nottut, und in den Bereichen, in denen wir normalerweise tätig sind – Bildung & Schule, Wissenschaft & Hochschule, Kunst & Kultur – helfen könnten. Wie wir unsere Mittel sinnvoll einsetzen könnten. Soweit man eben mit Geld weiterhelfen kann, denn Geld ist ja nicht alles. Man braucht immer auch Menschen, die damit etwas machen können und die etwas tun wollen, die durch eine finanzielle Unterstützung dazu befähigt werden, Notwendiges zu tun. [...]
Redaktion: Dank der Umschichtung der Stiftungsgelder konnte unter anderem die JMS in der Hochphase der Pandemie schnell von der Stiftung unterstützt werden. War dieser Schritt selbstverständlich für Sie? Wieso war es Ihnen so wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler der JMS weiterhin die Möglichkeit geboten bekommen, sich trotz des Lockdowns musikalisch zu betätigen?
Dr. Back: Verbunden mit dem Maßnahmenpaket war der Vorsatz, dass die Institutionen, die von uns eine laufende Förderung erhalten, flexibel unterstützt werden würden. Nach einem Telefonat mit Herrn Prof. Müller entschied ich, einen Teil der Mittel sofort umzuwidmen, damit die JMS arbeitsfähig bleiben konnte. Ich bin davon überzeugt, dass es gerade auch in Krisen wichtig ist, dass Musik – und überhaupt Kultur – jeder und jedem zugänglich bleibt. Mein Leben wäre nicht denkbar ohne Musik, und das sage ich nicht als Musikwissenschaftlerin. Musik hat mir immer wieder über schwere Zeiten in meinem Leben hinweg geholfen, sie erleichtert die Seele, schafft einen Ausgleich, ist immer und überall zugänglich. Es ist gerade auch in Zeiten von Corona enorm wichtig, dass man die Möglichkeit aufrechterhält, Musik zu machen und Musik zu erleben, und dass junge Menschen erfahren können, dass Musik dem seelischen Gleichgewicht zuträglich ist.
Redaktion: Seit 2018 unterstützen Sie die JMS mit ganz unterschiedlichen Förderangeboten. Welche Motivation steht dahinter?
Dr. Back: Dazu gibt es Verschiedenes zu sagen. Ein Punkt ist, dass der Musikunterricht an Schulen immer mehr ins Abseits geraten ist und dass sich die Schülerinnen und Schüler, die nach dem Abitur Musik studieren wollen, infolgedessen erst einmal selbst all das erarbeiten müssen, was für ein musikbezogenes Studium die Voraussetzung ist. Wenn aber Schulen die wirklich musikalischen Schülerinnen und Schüler nicht mehr auf eine Aufnahmeprüfung an einer Musikhochschule vorbereiten können, dann kann das vielleicht eine Jugendmusikschule leisten. Ihren Bildungsauftrag erweitert sie damit zudem um eine berufsrelevante Facette.
Jedenfalls war das eine der Überlegungen, die im Gespräch mit Herrn Prof. Müller aufkam. Denn in der Jugendmusikschule finden sich die interessierten und begeisterten Musikschülerinnen und Musikschüler. Wenn diese das Angebot erhalten könnten, sich neben der Schule mit zusätzlichen Angeboten das Wissen zu erarbeiten, das man für eine Aufnahmeprüfung braucht – das wär´s! Das Tolle ist: Wir haben das zwei Jahre lang ausprobiert und sehen jetzt, dass es tatsächlich einen relevanten Unterschied macht. Die Absolventinnen und Absolventen der JMS, die sich professionell der Musik widmen wollen, erhalten zu 90 Prozent direkt nach dem Abitur einen Studienplatz. Das ist das Eine.
Das Andere bezieht sich darauf, dass Musik natürlich nicht nur etwas für Kinder und Jugendliche ist, die besonders musikalisch oder begabt sind oder die den Zugang zur Musik einfach schon von Zuhause mitbekommen, eben weil deren Eltern die musikalische Bildung befördern und die Liebe zur Musik mit auf den Weg geben. Es gibt immer wieder Mädchen und Jungen aus Familien, in denen Musik keine Rolle spielt oder wo die Möglichkeiten dafür nicht gegeben sind, für die es aber einfach das Größte ist, Klavier-, Violin- oder Flötenunterricht zu erhalten. Für die schlägt unser Herz natürlich auch, und an sie richtet sich ebenfalls ein Teil der Stipendienmittel. [...]