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#Bildung #Bildungsgerechtigkeit #WissensWerte

„Bildung ist einer der wichtigsten Hebel, den wir haben“

Interview von Susanne Lea Radt mit Silvia Hafkus und Şafak Gündüz

Die Claussen-Simon-Stiftung fördert im Bereich Bildung & Schule seit vielen Jahren Bildungsprojekte und pädagogische Initiativen in Hamburg. Mit Mitteln aus dem Claussen-Simon-Fonds für Schulen wurde 2024 eine Diversitäts- und Antidiskriminierungskonferenz an der Max Brauer Schule in Altona gefördert.

Im Rahmen dieser Ganztagskonferenz beschäftigten sich das gesamte Personal sowie einzelne Lehrkräfte von anderen Schulen mit dem Thema Antidiskriminierung in Bezug auf unterschiedliche Diskriminierungsdimensionen. Die Konferenz sollte zu einer erweiterten Sensibilisierung im Kollegium beitragen, um der verantwortungsvollen Rolle als Lehrperson gerecht zu werden, strukturelle Diskriminierung in der Schule aufzudecken und ihr entgegenzuwirken.

Für das Projekt an der Max Brauer Schule verantwortlich war die Lehrerin Silvia Hafkus, die sich in diesem Bereich sehr engagiert. Şafak Gündüz, der zweite Gesprächspartner dieses Interviews, unterrichtet an der Stadtteilschule Flottbek. Er ist Alumnus des Stipendienprogramms Horizonte, das die Claussen-Simon-Stiftung in Kooperation mit der Jürgen Sengpiel Stiftung und der Dürr-Stiftung für Lehramtsstudierende mit Migrationsgeschichte an der Universität Hamburg ausschreibt.

Susanne Lea Radt, Bereichsleitung Bildung & Schule bei der Claussen-Simon-Stiftung, hat mit den beiden Lehrkräften über die Bedeutung von diskriminierungssensibler und -freier Bildung und über die Notwendigkeit, angehende Lehrkräfte bereits in der Ausbildung für dieses Thema zu sensibilisieren, gesprochen.


Susanne Radt: Woher kommen eure Leidenschaft und euer Engagement für das Thema diskriminierungsfreie Bildung?

Şafak Gündüz: Nach meinem Bachelor in International Management hatte ich ein Gefühl der totalen Leere: Ich konnte der Gesellschaft nichts zurückgeben und hatte mich selbst nicht wirklich weiterentwickelt. Daraus entstand die Idee, mich ehrenamtlich zu engagieren und mit jungen Leuten zu arbeiten. Während meines Masters habe ich mich bei "Junge Vorbilder" engagiert. In dem Projekt geht es darum, junge Studierende als Mentor:innen für Kinder zu gewinnen. Ich habe das sehr gerne gemacht, denn dieses Eins-zu-Eins hat den größten Effekt. Außerdem habe ich bei "Dialog macht Schule" mitgearbeitet. Dort haben wir mit kleinen Gruppen Themen wie Heimat, Identität, Religion besprochen – also das, was Schüler:innen täglich beschäftigt, aber in der Schule zu kurz kommt. Wir haben mit den Kindern sehr intensiv gearbeitet und es immer wieder geschafft, ihren Horizont zu öffnen. In dieser Zeit habe ich tolle Rückmeldungen bekommen wie "Wir wünschten, wir hätten Lehrer wie dich". Daraus entstand der Impuls: Vielleicht will ich noch Lehramt studieren. Das habe ich gemacht und bin nun an einer Stadtteilschule tätig.

Silvia Hafkus: Mich hat immer umgetrieben, wie wir die Gesellschaft verbessern können – und da ist Bildung einer der wichtigsten Hebel, den wir haben. Daher freue ich mich, seit sechzehn Jahren an einer Reformschule arbeiten zu können. In der Sekundarstufe führe ich eine Klasse sechs Jahre lang und in der Grundschule vier. Ich sehe die Schüler:innen rund 20 Stunden in der Woche und kann ihre Entwicklung beobachten. Es gibt keinen anderen Beruf, in dem ich Menschen so lange begleite. Das liebe ich an dem Job.

Bildung muss diskriminierungsfrei sein

Susanne Radt: Die Max Brauer Schule hat 2024 eine Ganztagskonferenz für Lehrkräfte zum Thema Diversität und Antidiskriminierung veranstaltet. Warum sind diese Themen wichtig? Und kann eine Konferenz überhaupt langfristig Wirkung haben?

Silvia Hafkus: Eigentlich sollte die Sensibilisierung von Lehrpersonen hinsichtlich Diskriminierung erfolgen, bevor sie in die Schulen kommen. Wenn die nicht gegeben ist, kann ich mit den Schüler:innen noch so viele Empowerment-Workshops machen, sie werden ohne eine grundsätzlich gelebte Offenheit und Achtsamkeit diesem Thema gegenüber zu wenig bewirken. Wenn eine Lehrperson eine diskriminierende Beleidigung nicht sieht oder überfordert ist, weil sie nicht weiß, wie sie angemessen auf Vorfälle reagieren kann, ist das sehr verletzend für die Schüle:innen.

Bisher sind wir bei diesem Thema noch auf zusätzliche Fortbildungen angewiesen, deshalb die Ganztagskonferenz – aber die kann nur etwas bewirken, wenn sie in das Gesamtkonzept diversitätssensibler Schulentwicklung integriert wird. Wir haben an der Schule seit 2020 eine Gruppe namens „Club Courage“, bestehend aus Lehrer:innen, Eltern und Schüler:innen, die sich des Themas angenommen hat. Außerdem arbeiten wir an einem schulweiten Curriculum zu Antidiskriminierung und politischer Bildung von der Vorschule bis zur Oberstufe. Gerade entwickeln wir ein Flyer-Konzept zur Erstansprache bei Diskriminierung in Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle Interkulturelle Erziehung, die zum Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) gehört. Zwei Kolleg:innen von uns machen dort eine Weiterbildung zur Interkulturellen Koordination und lernen das Handwerkszeug für die diversitätssensible Schulentwicklung. Dabei profitieren sie auch von der Vernetzung mit den tollen Kolleg:innen der anderen Schulen, die daran teilnehmen.  

Şafak Gündüz: Auch an meiner Schule ist der Bedarf, sich in Sachen Diskriminierungssensibilität und Antirassismus weiterzubilden, sehr groß. Wir fangen jetzt an und bauen ein Diversity-Team auf. Ich hoffe, dass durch Reflexion im Kollegium schnell Erkenntnisse gewonnen werden können. Mir geht es darum, universale Werte mitzugeben, egal ob ich den Schüler:innen Bruchrechnen beibringe oder wir über Hass im Internet sprechen. Deswegen finde ich es gut, dass es Personen gibt, die Strukturen schaffen und diese dann auch mit Leben füllen wollen.

Silvia Hafkus: Ja, diskriminierungssensibles Verhalten muss trainiert werden. Dafür ist eine umfassende Auseinandersetzung notwendig. Wir haben es geschafft, eine gemeinsame Sprache im Kollegium aufzubauen und rassismusrelevantes Wissen zur Regel zu machen. Es geht auch um die Kompetenz, Fehler oder mangelndes Wissen einzugestehen; es ist wichtig zu verstehen, dass es kein Angriff ist, wenn man zum Beispiel einen Namen falsch ausspricht und darauf hingewiesen wird.

Şafak Gündüz: Es ist ein Lernprozess für alle Beteiligten: Eines der ersten Dinge, die wir umgesetzt haben, war, die Progressive Pride Flag an unser Schullogo anzubinden, um zu zeigen, dass wir für Vielfalt stehen. Überraschenderweise hat dies bei einigen Schüler:innen und Lehrer:innen direkt eine Abwehrhaltung hervorgerufen.

Silvia Hafkus: Ergänzend braucht es an der ganzen Schule einen Code of Conduct. Es braucht klare Abläufe und Ansprechpersonen für Schüler:innen, für Lehrpersonen und für Eltern, wenn sie Diskriminierung erleben; es braucht Beratungsstellen außerhalb des Lehrkörpers, an die man sich wenden kann. Wir arbeiten zum Beispiel mit "Mosaiq e.V." und "empower". Aber auch das Erscheinungsbild der Institution ‚Schule‘ ist relevant. Wie oft haben Schüler:innen Bücher, in denen nur weiße Personen abgebildet sind und sie sich selber nicht widergespiegelt sehen! Vielfalt muss wirklich sichtbar werden – im Kollegium, im Lehrmaterial und in der Grundhaltung der Schule.

Şafak Gündüz: Dabei ist die Grundlage für einen diskriminierungsfreien Raum Schule eigentlich gegeben: im Bildungsauftrag, im Bildungsgesetz, im Grundgesetz. Es sollte klar sein, dass Bildung diskriminierungsfrei sein muss, aber sie ist es leider nicht. Das "Schule ohne Rassismus"-Schild neben der Tür sagt noch nicht viel aus. Die Schüler:innen spüren sofort, ob die Lehrer:innen offen für ihre Erfahrungen sind. Sie merken, ob diese ihre Belange ernstnehmen.

Silvia Hafkus: Antidiskriminierung und Partizipation müssen ganz eng verzahnt werden, damit die Schüler:innen das Gefühl bekommen, an einer Schule zu sein, die ihre Bedürfnisse und Ideen ernst nimmt.

Susanne Radt: Ein Weg, die Ideen der Schüler:innen aufzugreifen, ihnen Raum zu geben und zur selbstwirksamen Mitgestaltung anzuregen, sind AGs und Angebote zum Mitmachen. Welchen Weg geht die Max Brauer Schule, Silvia?

Silvia Hafkus: Wir haben unter anderem den "Club Courage", der entstanden ist, um die "Schule ohne Rassismus"-Plakette mit Leben zu füllen. Der Club organisiert eine "Courage Bar", in der zum Beispiel die Kolonialgeschichte von Hagenbeck kritisch beleuchtet wurde. Eine weitere behandelte das Queersein an der Max Brauer Schule. Eine andere "Courage Bar" behandelte das Thema Nahost, weil wir gemerkt haben, dass viele Schüler:innen das Gefühl haben, sie könnten nicht sagen, was sie denken. Viele Lehrkräfte sind mit dem Thema überfordert, weil sie fürchten, etwas Falsches zu sagen und aus Angst vor Antisemitismus und antimuslimischem Rassismus lieber gar nichts sagen. Dabei ist es wichtig, dass sich die Schüler:innen mit ihren Gedanken und Emotionen aufgehoben fühlen. Deswegen unterstützen wir immer gerne die Initiativen von Schüler:innen, die sich in AGs organisieren. Zum Beispiel die Antirassismus-AG der Jahrgänge 5 bis 8, die die Schüler:innen selbst gegründet haben.  

Lehrpersonen als Lebensbegleiter:innen

Susanne Radt: Die Claussen-Simon-Stiftung vergibt seit zehn Jahren gemeinsam mit der Dürr-Stiftung und der Jürgen Sengpiel Stiftung Horizonte-Stipendien an Lehramtsstudierende mit Migrationsgeschichte. Şafak, du bist Alumnus des Programms. Kannst Du das Wissen, das Du in den Workshops während des Stipendiums erlangt hast, im Schulalltag einsetzen?

Şafak Gündüz: Ja! Es hat mich im Umgang mit Themen, die mich generell beschäftigen, weiter gefestigt. Ob man zum Beispiel primär als Lehrender mit Migrationsgeschichte wahrgenommen werden möchte und welche Rolle das in der Lehre spielen soll. Durch die Schüler:innen kommt dieses Thema manchmal sehr direkt auf. Wenn ich ins Klassenzimmer komme, wird mir oft die Frage gestellt "Wo kommen Sie eigentlich her?" Das ist immer die beste Möglichkeit, mit ihnen darüber zu sprechen. Wenn ich dann eher unerwartete Antworten gebe, entstehen ganz verrückte, gute Gespräche. Es ist für die Schüler:innen interessant, dass ich mich nicht direkt als Türke oder türkischer Lehrer bezeichne. In meinem Leben und meiner Persönlichkeit hat meine Migrationsgeschichte eine große Rolle gespielt, aber oft durch äußere Umstände. Jetzt bin ich lieber Mathelehrer, Politiklehrer, Vater von zwei Töchtern, Partner einer Partnerin. Diese Dinge machen eher meine Identität aus, als dass die Geschichte meiner Eltern oder die Kultur im Vordergrund stehen – auch wenn ich das alles liebe. Und deswegen gehe ich gerne mit den Schüler:innen ins Gespräch über diese Themen und über die Art und Weise, wie darüber gesprochen werden kann.

Susanne Radt: Wir leben in einer Zeit, die uns als Gesellschaft auf vielen Ebenen herausfordert. Wie nehmt ihr den Umgang der Schüler:innen damit wahr? Gibt es mehr Gesprächsbedarf? Erlebt ihr in euren Lerngruppen vermehrt psychische Belastungen?

Silvia Hafkus: Vielen Schüler:innen geht es psychisch schlechter. Sie verarbeiten teilweise noch die Nachwirkungen aus der Corona-Zeit und müssen die Jahre der fehlenden sozialen Interaktion nachholen. Es gibt Ängste um die Zukunft, durch die näherkommenden Krisen und den Klimawandel. Außerdem die Angst vor dem Rechtsruck – manchmal bis hin zu der Furcht vor Abschiebung und der Frage, ob sie in Deutschland weiterhin leben können. Das alles begleitet sie und findet in der Schule nicht genug Raum. Ich denke, dass die individuellen, intensiven Bedürfnisse und Ängste einzelner Schüler:innen deutlich zugenommen haben.

Şafak Gündüz: Mit Blick auf die Krisen während der eigenen Schulzeit – ich denke beispielsweise an 9/11 – waren das Themen, die wir damals übers Fernsehen und die Tageszeitungen mitbekommen haben. Man musste sich aktiv damit beschäftigen. Heutzutage haben die Kinder rund um die Uhr Zugang zu allen Krisen. Sie werden ständig über TikTok und YouTube mit diesen Dingen konfrontiert – gewollt oder ungewollt. Die Präsenz unserer Smartphones – und es hat wirklich fast jede:r Fünftklässler:in ein Handy, und alle nutzen es auf dem Nachhauseweg – spielt eine große Rolle.

Silvia Hafkus: Eine Anekdote als Beispiel und als Appell, den gesunden Menschenverstand im Umgang mit den Schüler:innen zu nutzen: Ende Dezember, kurz nach dem Sturz Assads, also nach einem lebenswelterschütternden Ereignis für alle Menschen aus Syrien, berichtete eine Lehrperson von einer anderen Schule über einen syrischen Schüler: "Ich weiß nicht, was mit dem los ist: Der geht gerade über Tische und Bänke und kann nicht aufpassen. Jetzt ist er sogar im Unterricht eingeschlafen." Das verdeutlicht, wie wichtig es ist, sich in die Lebenswelt der Schüler:innen einfühlen zu können und diversitätssensible Lehrpersonen mit einem Gespür für kulturelle und politische Aspekte zu haben.

Mangelnde Vorbereitung auf viele Herausforderungen

Susanne Radt: Ich höre, dass es in den Lehrer:innenzimmern sehr unterschiedliche Wissensstände über diversitätssensible Strukturen gibt. Welche Initiativen in der Lehrkräfteausbildung gibt es, die sich mit Antirassismus und der Arbeit mit diversen Schüler:innengruppen befassen?

Silvia Hafkus: Was mir Hoffnung macht, ist die Beratungsstelle Interkulturelle Erziehung des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung. Das ganze Team macht eine tolle Arbeit – insbesondere für den Aufbau solcher Strukturen und die Vernetzung. Es gibt zum Beispiel eine TaskCard für Ganztagskonferenzen, bei der Schulen die komplette Planung anfragen können – vom Anschreiben der Workshopleitung über Informationen zu Stiftungen, die finanzieren können, bis hin zu Material für Auswertung und Reflexion. Das ist ein großartiges Angebot.

Susanne Radt: Sind junge Lehrkräfte, die gerade das Referendariat beendet haben, sensibler für Themen wie Diskriminierung und motivierter, etwas zu ändern?

Şafak Gündüz: Ehrlich gesagt hatte ich das Gefühl, mich im Referendariat an das bestehende System anpassen zu müssen. Themen wie Antirassismus und Diversitätssensibilität waren in der Ausbildung gar kein Thema. Es ist erschreckend, wie wenig sich in den Bildungsplänen seit meiner Schulzeit geändert hat und auch in der Ausbildung hat sich wenig getan. Ich glaube nicht, dass es im Moment viele Möglichkeiten gibt, das alles umzukrempeln – da gibt es zu viele Widerstände.

Silvia Hafkus: Diese Themen sind in der Ausbildung noch überhaupt nicht angemessen repräsentiert. Deswegen ist es so wichtig, dass Stiftungen wie die Claussen-Simon-Stiftung diese Initiativen finanzieren. So schaffen wir eine veränderte Realität, zeigen, dass es funktioniert, und bauen Strukturen, die dann künftig hoffentlich staatlich finanziert werden.

Şafak Gündüz: Die Elternarbeit ist ein Beispiel für die Herausforderungen, auf die man im Studium nicht vorbereitet wird. Dazu gab es im Rahmen des Horizonte-Stipendiums ein Seminar. Man hat mit sehr unterschiedlichen Eltern zu tun, das ist eine riesige Spanne aus gesellschaftlichen Milieus und Berufen. Es wäre eigentlich Aufgabe der pädagogischen Ausbildung gewesen, uns da entsprechend vorzubereiten. Aber es wird erwartet, dass sich die Lehrkraft eigenständig damit beschäftigt.

Silvia Hafkus: Als Lehrer:in muss ich mich damit auseinandersetzen, wie ich mit verschiedenen Menschen umgehe – sei es Eltern oder Schüler:innen. Das schließt auch Neurodivergenzen, Entwicklungsverzögerungen, Behinderungen oder Mehrsprachigkeit ein. Wie kann Schule da gute Rahmenbedingungen schaffen? Wie fange ich das im jeweiligen Unterrichtsfach auf? Es gibt so viele wichtige Themen, die in Schule und Alltag relevant sind und auf die Lehrende nicht vorbereitet werden.

Susanne Radt: Was braucht es über eine reformierte Lehrkräfteausbildung hinaus, um dem Ziel der Bildungsgerechtigkeit im Kosmos Schule näher zu kommen?

Şafak Gündüz: Ich frage mich, ob der Ansatz, dass der Lehrkörper die Schüler:innenschaft abbilden soll, wirklich Gerechtigkeit schafft. Natürlich können sich die Schüler:innen dann besser mit den Lehrenden identifizieren, aber es geht doch um so viel mehr als um die Person des Lehrers oder der Lehrerin. Es gibt Eltern, die extrem engagiert sind und ihren Kindern zu Hause viel mitgeben können. Und dann gibt es andere, die das nicht leisten können oder bei denen andere Hürden bestehen. Wir dürfen externe Faktoren nicht außer Acht lassen. Ich hatte zum Beispiel einen Schüler, der war so wissbegierig, war hochmotiviert und hatte das Herz am rechten Fleck – trotzdem wird er Schwierigkeiten haben, weil eine Sprachbarriere besteht. Vor allem in den Deutsch- oder Gesellschaftsklausuren, obwohl er alles mitbringt, um ein Einser-Schüler zu sein. In solchen Fällen reicht es nicht, dass es diskriminierungssensible Lehrpersonen gibt.

Silvia Hafkus: Das kann ich sogar noch weitertreiben: Wenn ich Schule komplett neu denke, mit den besten Bedingungen auf allen Ebenen – keine Noten, kleinere Klassen, ein schönes Schulgebäude, ein vielfältiges, diskriminierungssensibles Kollegium, viel mehr und gut ausgebildetes Personal – wäre diese Schule trotzdem noch Teil der Gesellschaft. Und das ist eine leistungsorientierte Gesellschaft, in der in wertvoll und weniger wertvoll aufgeteilt wird. Das kann Schule nicht gänzlich ausgleichen. Aber wenn wir im Schulalltag ansetzen und die Kinder – die Teil der Gesellschaft sind – gut mitnehmen, tragen sie ihre positiven Erfahrungen wieder in die Gesellschaft hinein.

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