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#WissensWerte: Das WissKomm-Kolleg – Raum für Reflexion, Motor für Veränderung
Ein Gespräch mit Dr. Nadine Weigand, Dr. Klara Stumpf und Sarah-Isabel Conrad
Seit 2024 bieten die Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. und die Claussen-Simon-Stiftung gemeinsam mit ihren Kooperationspartner:innen jungen Kommunikator:innen mit dem WissKomm-Kolleg einen gemeinsamen Lern- und Reflexionsraum. Das modulare Jahresprogramm richtet sich an junge Wissenschaftler:innen, Kommunikator:innen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie Wissenschaftsjournalist:innen, die erste professionelle Erfahrungen im Bereich Wissenschaftskommunikation mitbringen, ihre Rolle und Verantwortung intensiv reflektieren und ihre Kompetenzen weiterentwickeln möchten.
Wie wird aus diesem geschützten Raum für Reflexion ein Motor für Veränderung? Darüber sprechen Dr. Nadine Weigand (Claussen-Simon-Stiftung) und Dr. Klara Stumpf (Toepfer Stiftung) im Gespräch mit Sarah-Isabel Conrad, Bereichsleitung Dialog & Perspektive bei der Claussen-Simon-Stiftung. Sie erzählen, wie das WissKomm-Kolleg junge Wissenschaftskommunikator:innen zusammenbringt, Verantwortungsdimensionen zur Diskussion stellt und neue Impulse für einen offenen Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft setzt.
Sarah-Isabel Conrad: Wir führen das Gespräch kurz nachdem der zweite Jahrgang für das dritte Modul des WissKomm-Kollegs auf Gut Siggen zusammengekommen ist. Was hat euch dort beschäftigt, worüber denkt ihr noch nach?
Dr. Nadine Weigand: Im Mittelpunkt stand das Thema Verantwortung in all seinen Facetten – als an die Öffentlichkeit kommunizierende Personen, gegenüber der eigenen Institution, dem Fach oder dem Thema, aber auch sich selbst gegenüber. Alle hatten einen Gegenstand mitgebracht, der das Thema Verantwortung im Kontext Wisskomm für sie besonders gut versinnbildlicht. Dieses Format hat mir nochmal gezeigt, wie wichtig es ist, Dinge buchstäblich begreifbar zu machen.
Dr. Klara Stumpf: An verschiedenen Stellen wurde deutlich, wie wertvoll die unterschiedliche Expertise der Teilnehmenden für das Kolleg ist, ob das nun die KI-Perspektive ist oder der Blick der Illustratorin. Das hat sich alles schön ergänzt und wechselseitig bereichert.
Von der Idee zur Kooperation
Sarah-Isabel Conrad: Wie sind die Alfred Toepfer Stiftung und die Claussen-Simon-Stiftung zusammengekommen, dieses gemeinsame Anliegen zu formulieren und in eine Kooperation zu überführen?
Dr. Klara Stumpf: Die Toepfer Stiftung war den Hochschulen lange über das Programm "Lehre hoch n" verbunden, das dann in der Gründung der Stiftung Innovation in der Hochschullehre aufgegangen ist. Das WissKomm-Kolleg ist aus dem Nachdenken darüber entstanden, was wir als Toepfer Stiftung im Anschluss daran im Bereich Wissenschaft machen können. Das Thema Wissenschaftskommunikation erschien uns gerade in Zeiten von so großen gesellschaftlichen Herausforderungen sehr drängend. Wir sind in Siggen schon seit über zehn Jahren Gastgeberin des Siggener Kreises für Wissenschaftskommunikation. Dort haben wir unmittelbar Anschluss an das Feld. Ich bin frühzeitig auf mögliche Kooperationspartner und auch auf die Claussen-Simon-Stiftung zugegangen. Ausgehend von der Anfangshypothese, dass Wissenschaftskommunikation ein Feld mit Förderbedarf ist, hat sich die tatsächliche Schwerpunktsetzung nach und nach herauskristallisiert: Reflexion, Austausch, Vernetzung.
Sarah-Isabel Conrad: Ihr habt den Siggener Kreis also als eine Art Sounding Board genutzt?
Dr. Klara Stumpf: Genau. Es wurde relativ schnell klar, dass das neue Format auf Jüngere zielen soll. Ich habe zum Beispiel Gespräche geführt mit Personen aus dem Volontariats-Netzwerk des Bundesverbands Hochschulkommunikation. Denn bei der Konzeption eines solchen Programms ist es immens wichtig, nicht nur die erfahrenen Stimmen zu hören, sondern auch in die Adressat:innengruppe selbst reinzuhören. Und hier ergab sich eine Brücke zur Claussen-Simon-Stiftung, die sich mit ihren Förderangeboten ja explizit an junge Erwachsene richtet und das Thema Wissenschaftskommunikation an anderer Stelle schon länger fördert.
Dr. Nadine Weigand: Die Claussen-Simon-Stiftung hat bereits 2018 ein Projekt zur Wissenschaftskommunikation an der Hamburg Research Academy initiiert und über mehrere Jahre gefördert. Damit werden seitdem gezielt Fortbildungsangebote für angehende Wissenschaftler:innen aller Disziplinen in Hamburg geschaffen, die über ihre Forschung gut kommunizieren und Ergebnisse auch in die Gesellschaft tragen wollen. Wir setzen uns an verschiedenen Stellen dafür ein, gute Wissenschaftskommunikation in verschiedenen Formaten voranzutreiben, so zum Beispiel auch durch die Förderung der Woche der Wissenschaftskommunikation, die 2024 und 2025 an der Universität Hamburg stattgefunden hat. Wir waren an einem ähnlichen Punkt wie die Toepfer Stiftung und haben die Dringlichkeit gesehen, unser Engagement noch weiter auszubauen.
Dr. Klara Stumpf: Zwischen unseren Stiftungen besteht ein großer Match, weil ähnliche Ansätze unsere Arbeit prägen: Biografien begleiten und am richtigen Moment einen Impuls setzen, um die Perspektive zu weiten.
Ein Programm, das zuhört, vernetzt und die Community stärkt
Sarah-Isabel Conrad: Habt ihr eure Mission am Anfang ausformuliert, basierend auf den Verortungen der beiden Stiftungen, die das gemeinsame Fundament bilden?
Dr. Nadine Weigand: Die hat sich nach und nach immer klarer herauskristallisiert. Auch im Austausch mit den Kooperationspartnern, die dann noch mit an Bord gekommen sind. Unsere Mission ist, an der richtigen Stelle Impulse zu setzen. Da haben wir eine sehr große Schnittmenge in unserer Arbeitsweise und unserem Förderverständnis: unterschiedliche Gruppen ins Gespräch zu bringen, miteinander zu vernetzen, Einzelne in diesen Netzwerken zu stärken.
Dr. Klara Stumpf: Es wurde immer klarer, dass der Austausch das zentrale Element ist. Und zwar innerhalb des Feldes! Wir nehmen mit dem WissKomm-Kolleg drei Gruppen in den Fokus: die institutionellen Kommunikator:innen, Wissenschaftsjournalist:innen und die kommunizierenden Forschenden. Darüber hinaus ging es uns auch um einen Beitrag zur Professionalisierung dieses Feldes, und zwar eben in seiner ganzen Ausdifferenzierung. Uns war bewusst, dass es in diesen Gruppen durchaus unterschiedliche Perspektiven gibt, aber auch verschiedene Vorstellungen davon, was man von der anderen Rolle erwarten kann. Wie gewinnen wir ein realistischeres Verständnis voneinander, welche Gemeinsamkeiten gibt es, aber auch welche Unterschiede, die erhaltenswert sind und ihre Funktion haben? Diese drei Gruppen ins gemeinsame Reflektieren und in ein produktives Gespräch zu bringen, birgt eine große Energie.
Sarah-Isabel Conrad: Es geht also darum, zunächst innerhalb der Community zu wirken und nicht nur primär die Anerkennung und Wertschätzung der Stimmen der Wissenschaft in gesellschaftlichen Diskursen zu stärken und resilienter gegen Anfechtungen zu machen.
Dr. Klara Stumpf: Ein konstruktiv-kritisches Einvernehmen innerhalb der Community ist eine wichtige Voraussetzung für die anderen Aufgaben, die Wisskomm erfüllen soll. Wir folgen einem Verständnis von Wissenschaftskommunikation, das nicht nur senden möchte. Mit unseren Kooperationspartnern teilen wir diese Sicht. Es geht nicht um Einbahnstraßenkommunikation, sondern viel stärker darum, wirklich in einen Dialog mit dem Außen zu kommen, mit gesellschaftlichen Gruppen, bestimmten Öffentlichkeiten.
Dr. Nadine Weigand: Das WissKomm-Kolleg möchte einen Beitrag dazu leisten, dass das besser gelingt. Die Community muss unter sich systematisch erkennen, was möglich ist, welche Perspektiven sie mitbringen. Die einzelnen Module bilden ab, dass sich das gesamte Feld der Wissenschaftskommunikation inzwischen ausgeweitet hat und viele unterschiedliche Rollen beinhaltet. Interessanterweise haben die Teilnehmenden zu Beginn Schwierigkeiten, sich einer ganz konkreten Rolle zuzuordnen. Denn es gibt inzwischen so viele unterschiedliche Wege in die Wissenschaftskommunikation. Deshalb steht am Anfang die Frage im Mittelpunkt: Wo kommen wir her, und wie entwickeln wir uns weiter? Das ist ein wesentlicher Benefit. Und ein großer Teil der Selbsterkenntnis der Teilnehmenden.
Sarah-Isabel Conrad: Ist das WissKomm-Kolleg mit diesem Ansatz Pionier im Bereich Wissenschaftskommunikation?
Dr. Nadine Weigand: Auf jeden Fall in dieser Form. Es gibt natürlich die klassischen Konferenzen, wo immer wieder auch die Möglichkeit vorhanden ist, dass die Community miteinander ins Gespräch kommt. Aber Konferenzen können das meist nicht in dieser Intensität leisten. Ausreichend Zeit und einen geschützten Raum zu haben, sich intensiv auszutauschen, eigene Werte in der Gruppe reflektieren und diskutieren zu können, das ist wahrscheinlich einzigartig.
Viele Partner, ein gemeinsamer Geist
Sarah-Isabel Conrad: Es sind ganz unterschiedliche Organisationen beteiligt. Wie ist es gelungen, eine gemeinsame Haltung und die Rollen festzulegen?
Dr. Klara Stumpf: Kolleg:innen aus der VolkswagenStiftung, dem Bundesverband Hochschulkommunikation, dem Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation und von Wissenschaft im Dialog waren schon relativ früh in der Konzeptionsphase eingebunden. Das hat sich dann immer stärker konkretisiert und schließlich als Kooperation formalisiert. Dadurch ist es gut gelungen, die Handschrift von allen Beteiligten im Programm wiederzufinden. Operativ tragen das WissKomm-Kolleg die Toepfer Stiftung und die Claussen-Simon-Stiftung, aber die anderen Partner:innen sind intensiv eingebunden in das Nachdenken über das Programm, die Rekrutierung von Referierenden, sie tragen selbst bei, als Dozent:innen oder Fallgebende und sind auch in der Auswahlkommission vertreten. Dies ist eine ganz wichtige Voraussetzung dafür, dass das Programm so gut funktioniert, in die Auswahl der Teilnehmenden fließt viel Kraft und Sorgfalt.
Sarah-Isabel Conrad: Kooperationsbeziehungen funktionieren nicht immer so harmonisch.
Dr. Klara Stumpf: Alle fühlen eine starke Eigentümerschaft und verstehen es als ihr Programm. Gleichzeitig ermöglichte diese Struktur von Beginn an eine große Reichweite. Jede Organisation bringt ihr eigenes Netzwerk und ihre eigene Expertise ein, ohne Konkurrenz. Für die Gestaltung des Programms ist das eine große Stärke, da wir auf ein großes Reservoir an Ideen und Kontakten zurückgreifen können. Es war relativ schnell klar, dass wir einen sehr ähnlichen Blick haben, Werte und Ziele teilen, wer unsere Adressat:innen und wo vielleicht auch Grenzen des Programms sind. Gleichzeitig eint uns das Ziel, Diversität in der Gruppe herzustellen.
Ein lernendes Programm mit nachhaltiger Wirkung
Sarah-Isabel Conrad: Was war Euch bei der Programmgestaltung wichtig, was sind die zentralen Inhalte und Formate?
Dr. Klara Stumpf: Das Programm besteht aus vier Modulen. Uns war wichtig, dass es nicht bei einem einzelnen Treffen bleibt, weil durch den Kontakt der Gruppe über mehrere Monate nochmal eine andere Qualität entsteht, das ist auch unsere Erfahrung aus anderen Programmen in der Stiftung. Im ersten Modul geht es um den persönlichen Ausgangspunkt der Teilnehmenden, eine gemeinsame Annäherung an das Thema Wissenschaftskommunikation und ein erstes Kennenlernen. Im zweiten Modul reflektieren die Teilnehmenden jeweils über die eigene Rolle, aber auch die Perspektiven der anderen. Dabei geht es auch stark um die Veränderung der Wisskomm-Landschaft. Im dritten Modul beleuchten wir das Thema Verantwortung in der Wissenschaftskommunikation aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Und im letzten Modul geht es dann um das Thema Perspektiven und Vernetzung und die Frage: Wie können wir ein belastbares Netzwerk schaffen und das, was am Kolleg geschehen ist, als Gruppe und darüber hinaus weitertragen?
Sarah-Isabel Conrad: Das hat für den ersten Jahrgang sehr gut funktioniert. Im Sommer haben die Teilnehmenden ein gemeinsames Impulspapier veröffentlicht, mit 18 Fragen an die Zukunft der Wissenschaftskommunikation.
Dr. Nadine Weigand: Es sind darüber hinaus zahlreiche weitere Aktivitäten aus der gemeinsamen Zeit im WissKomm-Kolleg entstanden. Die Teilnehmenden spüren eine große Verantwortung, das, was sie aus dem Kolleg mitgenommen haben, nach außen fruchtbar zu machen und damit in die Community zu gehen. Zum Beispiel geben sie gemeinsam Workshops, leiten Akademien, gestalten gemeinsam Wisskomm-Formate wie Podcasts.
Sarah-Isabel Conrad: War das ein explizites Ziel? Oder hat es euch überrascht, dass es in der Breite so gut funktioniert?
Dr. Klara Stumpf: Wir haben es von Anfang an unterstützt, dass eine Dynamik über die vier Module hinaus entsteht. Wir haben deshalb im Programm immer wieder Zeiten für Projektwerkstätten reserviert. Diese waren ganz bewusst nicht mit einer konkreten Erwartung hinterlegt, sondern eher als Ermutigung gedacht. Ich freue mich sehr, wie sich das eingelöst hat.
Dr. Nadine Weigand: Überraschend war die Schnelligkeit, mit der das passiert ist. Bereits im zweiten Modul, als sich alle live das erste Mal begegneten, hat der erste Jahrgang darüber nachgedacht, wie sie im Austausch bleiben können. Sie empfanden sich gleich als Verbündete. Im dritten Modul – nur zwei Monate später – gab es schon erste konkrete Ideen für gemeinsame Projekte. Besonders freut uns, dass der erste Jahrgang als eine Art „fünftes Modul“ eigenständig ein Nachtreffen organisiert hat, bei dem wir zugeschaltet waren. Und auch für den zweiten Jahrgang ist dies bereits geplant. Es findet also eine sehr aktive Netzwerkarbeit aus der Gruppe heraus statt.
Sarah-Isabel Conrad: Gibt es noch Kontakt zu den Teilnehmenden des ersten Jahrgangs?
Dr. Nadine Weigand: Die Teilnehmenden können sich mit Wisskomm-Projekten für eine Förderung aus einem Fonds bewerben, den wir eigens aufgelegt haben. Wir sind dadurch auf dem Laufenden darüber, wie sich die praktische Arbeit entwickelt, das ist toll und sehr wertvoll. Aber auch darüber hinaus sind enge Verbindungen gewachsen. Zum Beispiel wurden gezielt Personen aus dem ersten Jahrgang in unterschiedlichen Rollen für den zweiten Jahrgang eingebunden, etwa als Moderation während des Seminars oder als aktives Mitglied der Auswahlkommission. Mit der öffentlichen Diskussion des gemeinsamen Papiers bei der Jahrestagung vom Bundesverband Hochschulkommunikation und beim Forum Wissenschaftskommunikation gab es zwei konkrete Anlässe, wo sich ein Teil des Jahrgangs noch mal für die Fragen und Gedanken aus der erweiterten Community öffnete.
Sarah-Isabel Conrad: Welche Rolle übernehmt ihr in den beiden digitalen Modulen sowie den beiden jeweils einwöchigen Modulen in Siggen?
Dr. Klara Stumpf: Meine Rolle ist, den Rahmen zu bilden. Gemeinsam mit anderen Programmbeteiligten moderiere ich das Programm. Zum Rahmen gehören auch die Sounding Boards, die wir bei den Präsenzmodulen als täglichen Reflexionsraum bieten.
Dr. Nadine Weigand: Ich verstehe unsere Rolle auch so, dass wir gezielt beobachten, wie die Formate, die wir uns in der Theorie ausgedacht haben, in der Praxis und im Ablauf funktionieren.
Dr. Klara Stumpf: Ja, wir reflektieren bereits im laufenden Programm sehr intensiv und holen Feedback ein. Wie verhalten sich die praktischen Anteile zu den theoretischen? Müssen wir Formate anders strukturieren und in einer anderen Dramaturgie zusammenfügen? Im ersten Jahr hatten wir bei unserem ersten Präsenzmodul noch keinen Open Space eingeplant, haben den dann aber spontan ins Programm genommen. Für den zweiten Jahrgang haben wir das gleich mit programmiert, das Bedürfnis nach einem offenen Austausch ist riesig. Das WissKomm-Kolleg ist selbst als lernendes Programm zu verstehen. Das ist sehr wichtig.
Sarah-Isabel Conrad: Was passiert im Open Space?
Dr. Klara Stumpf: Dieses Format öffnet den Raum für die Expertise, Themen und Fragen der Teilnehmenden selbst. Spontane Impulse sind möglich. Wir bringen immerhin lauter Professionals zusammen, die sich gegenseitig ganz viel zu erzählen haben.
Sarah-Isabel Conrad: Gab es weitere Anpassungen im Programm im Vergleich zum ersten Jahr?
Dr. Klara Stumpf: Jedes Jahr neu sind die Fallbesprechungen im dritten Modul. Dazu laden wir Personen aus verschiedenen Bereichen der Wissenschaftskommunikation ein, die aktuelle Herausforderungen ihrer Arbeit mitbringen. 2025 hatten wir erstmals eine politische Fallberatung, denn gerade die Schnittstelle zur Politikberatung ist für viele Wissenschaftskommunikator:innen höchst relevant. Mit Blick auf 2026 denken wir über eine andere Taktung zwischen Präsenz- und Digitalmodulen nach. An den wesentlichen inhaltlichen Schwerpunkten werden wir aber festhalten.
Sarah-Isabel Conrad: Wie verortet ihr das WissKomm-Kolleg im Feld und monitort Entwicklungen, Trends, Ereignisse?
Dr. Nadine Weigand: Wir sind ja in gewisser Weise selbst Teil der Community, nehmen an verschiedenen Konferenzen teil und haben dank der Partnerorganisationen den großen Vorteil, ein Riesensensorium zu haben.
Eine Profession im Werden
Sarah-Isabel Conrad: Für die Teilnehmenden bedeutet es ein großes Commitment, zweimal eine Woche in Siggen zu sein, entweder über Urlaub oder Freistellung.
Dr. Klara Stumpf: Glücklicherweise bekommen wir gespiegelt, dass die Vorstellung, soviel Zeit am Stück zu investieren, zwar Stress erzeugt, es aber gleichzeitig guttut, sich diesen Reflexionsraum zu nehmen. Von den Arbeitgeber:innen wertschätzen viele es als eine wichtige Erweiterung der Kompetenzen ihrer Mitarbeitenden.
Sarah-Isabel Conrad: Das berührt noch mal auf einer anderen Ebene den Verantwortungsaspekt. Wer ist eigentlich dafür verantwortlich, dass Wissenschaftskommunikation gut funktioniert? Welche Verantwortung tragen die Einzelnen, aber auch die Institutionen? Wie beobachtet ihr das, wird Wissenschaftskommunikation mittlerweile als eigene Profession anerkannt?
Dr. Klara Stumpf: Da entwickelt sich viel. Es wird immer stärker zu einer eigenen Profession, in ihrer ganzen Vielfältigkeit. Das drückt sich zum Beispiel auch darin aus, dass zunehmend Hochschulen Wissenschaftskommunikation auf Präsidiumsebene ansiedeln. Ich glaube allerdings: Da ist noch Luft nach oben. Die Teilnahme an einem Programm wie dem WissKomm-Kolleg ist keine reine Selbstbespiegelung oder ein egoistisches Anliegen, sondern sie wirkt in die Institutionen zurück. Das haben wir im vergangenen Jahr bei einem Teilnehmer ganz deutlich spüren können, der viele der Fragen, die er sich selbst im Kolleg gestellt hat, in seine Einrichtung mitgenommen und dadurch viel in Bewegung gebracht hat. Es ist für die Institution also nicht nur eine noble Geste, ihre Mitarbeitenden freizustellen, sondern es wirkt direkt auf die Qualität ihrer Arbeit.
Dr. Nadine Weigand: Ich finde auch, dass man die Dynamik innerhalb der Wochen sehr stark spürt. Auch wenn wir uns in den Modulen wenig mit ganz konkretem Handwerkszeug beschäftigen, ist es dennoch sehr praxisorientiert. Weil es tatsächliche Auswirkungen auf das eigene Arbeiten, die Arbeit im Kontext der Institution und des Feldes hat. Es ist beispielsweise sehr hilfreich, wenn wir uns im Verantwortungsmodul auch mit Krisenkommunikation beschäftigen; das einmal durchgespielt zu haben, um darauf schneller zugreifen zu können, wenn man im Alltag mit einer kritischen Situation konfrontiert wird.
Sarah-Isabel Conrad: Mit welchen Erwartungen kommen die Teilnehmenden zum Wisskomm-Kolleg?
Dr. Nadine Weigand: Viele Bewerber:innen kommen zunächst mit der Erwartung zu uns, im Kolleg eine Art Werkzeugkoffer für die Wissenschaftskommunikation zu erhalten. Und natürlich entstehen im Verlauf des Programms auch solche Werkzeuge – das ist durchaus Teil des Konzepts. Doch unser eigentlicher Anspruch geht darüber hinaus: Wir möchten einen Raum schaffen, in dem sich Haltung und Perspektive verändern dürfen. Während andere Programme gezielt auf methodische Weiterbildung setzen, verstehen wir das WissKomm-Kolleg als Ort, an dem das Handwerkszeug quasi nebenbei wächst – als Ergebnis eines tiefergehenden Reflexionsprozesses.
Dr. Klara Stumpf: Es geht viel stärker darum, aus dem freien Arbeiten heraus zu reflektieren, Haltungen zu überdenken und zu bilden. Und daraus erwachsen dann ganz konkrete Skills und Ergebnisse wie das vorhin angesprochene Papier oder ein gemeinsames Projekt. Statt Methoden möchten wir eher Inspiration vermitteln. Das kann beispielsweise auch in Form eines Kamingesprächs passieren. Wir hatten einmal eine Museumsleitung aus dem Kulturbereich zu Gast. Das war für viele Teilnehmende sehr inspirierend, weil sich viele ihrer Praxisbeispiele sehr gut übersetzen ließen in die Arbeit von Wissenschaftskommunikator:innen. Auch in dieser Hinsicht öffnen wir Grenzen zwischen Disziplinen. Und umgekehrt hat sie viele Impulse von den Teilnehmenden mitnehmen können.
Sarah-Isabel Conrad: Es geht also nicht darum zu lernen, wie ich meinen Podcast gestalte?
Dr. Nadine Weigand: Nicht als Programmpunkt, aber die Teilnehmenden lernen diese Werkzeuge voneinander. Sie bringen viel Wissen und Erfahrungen ein: zu Podcasts oder Slams, zur Spieleentwicklung und so weiter. Im Austausch vermitteln die Teilnehmenden kein reines Methodenwissen, sondern unterfüttern es mit persönlichen Zugängen und Erfahrungswissen.
Sarah-Isabel Conrad: Das heißt, das WissKomm-Kolleg ermöglicht fundiertes Peer Learning.
Dr. Klara Stumpf: Genau. Es ist auch ein Kompetenz-Pooling. Die verschiedenen Kompetenzen, die die Teilnehmenden mitbringen, ergänzen sich. Da zahlt sich die Diversität der Perspektiven und Skills aus, auf die wir bei der Auswahl achten.
Sarah-Isabel Conrad: Sind auch die Dozent:innen nicht nur Gebende, sondern nehmen selbst sehr viel Konkretes mit?
Dr. Nadine Weigand: Das ist insbesondere bei den Fallgebenden so. Sie stellen mit einer großen Offenheit echte Fälle aus ihrem Arbeitsalltag zur Diskussion und sind unheimlich dankbar für das, was von den Teilnehmenden dazu eingebracht wird. Das sind zum Teil ganz konkrete Lösungen.
Sarah-Isabel Conrad: Warum ist Siggen in seiner Abgeschiedenheit genau der richtige Ort für dieses Format?
Dr. Klara Stumpf: Der Ort hat eine Ausstrahlung, die dazu einlädt, sich auf die Reflexion und auf die Gruppe einzulassen.
Dr. Nadine Weigand: Es ist viel wert, dass das Team der Toepfer Stiftung vor Ort so gut eingespielt ist. Man kommt an und ist versorgt. Im Seminarzentrum ist alles parat für den inhaltlichen Teil, aber auch drumherum wird man sehr gut begleitet. Man kann sich direkt auf das Inhaltliche konzentrieren, weil man alles andere ausblenden darf.
Was bleibt – und was kommen soll
Sarah-Isabel Conrad: Was wünscht ihr euch für die Zukunft? Für den kommenden Jahrgang? Und wie blickt ihr insgesamt auf das Feld der Wissenschaftskommunikation?
Dr. Nadine Weigand: Ein unmittelbarer Wunsch ist es, die bisherigen beiden Jahrgänge und den kommenden dritten stärker miteinander zu vernetzen und ein nachhaltiges Alumni:ae-Netzwerk aufzubauen. In den Gruppen ist bereits jetzt ein großes Eigenmoment entstanden – dieses Engagement und den gegenseitigen Austausch möchten wir weiter fördern und institutionell begleiten. Als Stiftungen tragen wir dabei eine besondere Verantwortung: Wir verstehen uns als Ermöglicherinnen von Begegnung und Reflexion. Die Frage ist also nicht nur, wie wir den Rahmen für diese kontinuierliche Zusammenarbeit gestalten, sondern auch, wie sich dieses Netzwerk über die eigenen Grenzen hinaus öffnen lässt – als Impulsgeber für das Feld der Wissenschaftskommunikation insgesamt. Im größeren Kontext wünsche ich mir, dass aus solchen Formaten langfristig eine Struktur entsteht, die Wissenschaftskommunikation als selbstverständlichen Bestandteil wissenschaftlicher Praxis stärkt – nicht als Zusatz, sondern als integralen Teil einer lebendigen Wissenschaftskultur.
Dr. Klara Stumpf: Für den dritten Jahrgang wünsche ich mir, dass es uns wieder gelingt, eine diverse Gruppe zusammenzustellen. Das Ziel des Kollegs ist auch, einen Beitrag zur Weiterentwicklung des Feldes in seiner ganzen Vielfältigkeit zu leisten. Mein Wunsch für die Wissenschaftskommunikation im Großen ist, dass sie konstruktiv kritisch bleibt, dass sie Tendenzen von Polarisierung widersteht oder auch dazu beiträgt, denen entgegenzuwirken. Und dass die unterschiedlichen Rollen und das Berufsethos der drei Gruppen anerkannt werden und sich gleichzeitig dem gemeinsamen Ziel verschreiben, zu einem gelingenden gesellschaftlichen Dialog beizutragen. Da müssen wir eine viel größere Selbstverständlichkeit erreichen. Wissenschaftskommunikation sollte kein Add-on mehr sein. Was Stiftungen dazu beitragen können, ist begrenzt. Aber wir können diesen Funken schlagen. Es ist eine Aufgabe, die über Stiftungen weit hinausgeht, sowohl was die Anerkennung von Wissenschaftskommunikation in ihren unterschiedlichen Facetten betrifft als auch die Finanzierung beispielsweise des Wissenschaftsjournalismus. Es betrifft die großen Fragen von gesellschaftlichem Zusammenhalt und Polarisierung.
Das WissKomm-Kolleg ist eine gemeinsame Initiative der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. und der Claussen-Simon-Stiftung in Kooperation mit der VolkswagenStiftung, dem Bundesverband Hochschulkommunikation, dem Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation und Wissenschaft im Dialog.
Die Claussen-Simon-Stiftung engagiert sich seit mehreren Jahren im Bereich Wissenschaftskommunikation: 2018 rief sie gemeinsam mit der Universität Hamburg das WissKomm-Projekt an der Hamburg Research Academy (HRA) ins Leben und förderte dies bis 2024. Über den bei der HRA angesiedelten und von uns geförderten zugehörigen WissKomm-Fonds fördern wir seit 2021 Projekte zur WissKomm. Nachwuchswissenschaftler:innen aller Hamburger Hochschulen können sich mit ihren WissKomm-Ideen um eine Förderung bewerben.
Darüber hinaus hat die Claussen-Simon-Stiftung 2024 die erste Woche der Wissenschaftskommunikation der Universität Hamburg gefördert, ein Format, das es in dieser Form erstmalig an einer deutschen Hochschule gab und das deutschlandweite Aufmerksamkeit fand. 2025 fand diese Wisskomm-Woche bereits zum zweiten Mal statt.
Zudem wurde 2025 das auf Initiative und mit einer mehrjährigen Förderung der Claussen-Simon-Stiftung ausgestattete Projekt "Science made in Hamburg" gemeinsam mit der Technischen Universität Hamburg (TUHH) ins Leben gerufen. Beteiligt sind alle Hamburger Hochschulen. Ziel ist, Forschungsergebnisse aus den Hamburger Hochschulen durch Impact Stories sichtbar zu machen und in die Mitte der Gesellschaft zu tragen.
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