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Es gibt keinen Planeten B
Dr. Sarah Casura, Astrophysikerin, Alumna bei Postdoc Plus
„Es gibt keinen Planeten B!" – den Spruch haben bestimmt alle schon einmal gehört oder gelesen. Meist fällt er im Zusammenhang mit der Klimakrise und gemeint ist, dass wir keinen Ausweichplaneten, keinen „Plan(eten) B" haben, wo wir hingehen könnten, wenn wir die Erde zerstört haben. Übrigens ist das ein sehr westlich geprägter Begriff: In Sprachen und Kulturen, die ein anderes Alphabet benutzen, gibt es kein Konzept „Plan B" oder überhaupt davon, dass „B" etwas ist, das an zweiter Stelle steht bzw. als Alternative oder zweite Wahl fungiert. Für solche Überlegungen bin ich allerdings keine Expertin – ich bin Astrophysikerin, und daher nähern wir uns in diesem Beitrag dem „Planeten B" aus astrophysikalischer Sicht.
Wo sind wir?
Beginnen wir mit „Planet A", unserer Erde: ein Ball aus Metallen, Gestein und Wasser – Durchmesser ca. 12 000 km, Masse 6 x 10^24 kg – umgeben von einer dünnen Schicht Gasen, der Atmosphäre. Die Erde kreist in einem Abstand von rund 150 Millionen Kilometern um die Sonne (eine Runde pro Jahr), dreht sich dabei um ihre eigene Achse (eine Drehung pro Tag) und wird begleitet vom Mond, der wiederum die Erde umkreist (eine Umrundung pro Monat). Außer der Erde gibt es im Sonnensystem noch sieben weitere Planeten, deren Monde (insgesamt rund 300), Millionen weiterer Himmelskörper (Zwergplaneten, Asteroiden, Kometen und sonstige Gesteinsbrocken) sowie unzählige Gas- und Staubteilchen und natürlich die Sonne selbst. Die Sonne ist ein Stern, ein Ball aus heißem Gas, in dessen Zentrum Kernfusion stattfindet, ca. 100 mal größer und 300 000 mal schwerer als die Erde und damit ein mittelgroßer bis eher kleiner Stern.
Entstanden ist das ganze Sonnensystem vor rund 4,6 Milliarden Jahren aus einer großen Gas- und Staubwolke. Dabei hatten wir ziemlich viel Glück: Beispielsweise (und ich erhebe hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit!) hat die Erde genau den richtigen Abstand zur Sonne, damit es hier weder zu heiß noch zu kalt ist und flüssiges Wasser existieren kann; es gibt auf der Erde Wasser in ausreichenden Mengen; die Erde hat eine Atmosphäre und ist auch groß bzw. schwer genug, um sie zu halten; gleichzeitig ist sie klein genug, so dass sie kein Gasriese ist, sondern eine feste Oberfläche hat; die Sonne ist groß genug, um stabil zu sein und ausreichend kurzwelliges Licht für die Photosynthese auf der Erde auszusenden, aber trotzdem klein genug, um lange zu leben; und das ganze System ist stabil genug, sodass wir Zeit hatten, uns hier zu entwickeln – dass also Leben entstehen, sich dann die ganze Evolution abspielen konnte und zuletzt auch noch der technische Fortschritt. Dazu gehören neben Zeit natürlich auch noch jede Menge glücklicher Zufälle.
Gibt es so etwas noch mal?
Angesichts all dieser Zufälle scheint es auf den ersten Blick unwahrscheinlich, dass ein ähnlicher Prozess an anderer Stelle im Universum nochmals geklappt hat und sich (intelligentes) Leben entwickeln konnte. Aber je mehr Versuche man hat, desto höher sind die Chancen. Innerhalb unseres Sonnensystems gibt es nicht so viele Möglichkeiten, aber mittlerweile kennen wir auch rund 5.000 Planeten außerhalb des Sonnensystems, sogenannte Exoplaneten. Und es kommen fast täglich neue hinzu. Große Planeten, die in einem geringen Abstand um kleine Sterne kreisen, sind am einfachsten zu finden und daher die häufigsten Vertreter der bisher bekannten Exoplaneten. Allerdings bieten sie keine idealen Bedingungen für Leben, wie wir es kennen. Zudem sind wir bei der Entdeckung von Exoplaneten noch auf Sterne in unserer nächsten Nachbarschaft limitiert. Und Exomonde (Monde, die um Exoplaneten kreisen), können wir bisher gar nicht sehen. Es ist aber nach aktueller Datenlage davon auszugehen, dass, erstens, die meisten Sterne Planetensysteme haben, zweitens auch erdähnliche Exoplaneten weit verbreitet sind und drittens viele Exoplaneten Monde haben, die grundsätzlich auch erdähnlich sein können (wie zum Beispiel die vier größten Monde von Jupiter).
Wenn wir also davon ausgehen, dass jeder Stern im Schnitt eine Handvoll Planeten und Dutzende bis Hunderte Monde hat, sind das allein schon in unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße – einem System aus rund 100 Milliarden Sternen – ziemlich viele Chancen, selbst wenn nur auf einem kleinen Bruchteil davon die Bedingungen für Leben stimmen. Nun gibt es aber noch viele andere Galaxien im Universum, angefangen bei unserer Nachbargalaxie Andromeda mit ca. 1 Billion Sternen, über Galaxienhaufen mit Tausenden von Galaxien bis hin zu den entferntesten Protogalaxien im frühen Universum. Selbst in anscheinend leeren Flecken des Himmels kommen, wenn man lange genug mit einem guten Teleskop darauf starrt, wieder Tausende Galaxien zum Vorschein, jede davon mit Milliarden von Sternen. Nebenbei erwähnt beschäftige ich mich in meiner eigenen Arbeit genau damit: Ich erforsche Struktur, Aufbau und Entwicklung von verschiedenen Galaxien.
Und wo sind die alle?
Ein Versuch, die Anzahl Galaxien und damit die Anzahl Sterne, Exoplaneten und Exomonde zu schätzen, ist schwierig ... Es sind aber auf jeden Fall ziemlich viele. Ist das Universum, wie nach aktuellem Stand der Forschung, unendlich, sind es ohnehin unendlich viele. In meinen Augen scheint es jedenfalls sehr unwahrscheinlich, dass es nirgendwo anders einen Planeten wie die Erde gibt. Dass wir allein im Universum sind, bei der unvorstellbaren Fülle an Möglichkeiten. Allerdings ist nicht nur die Anzahl an möglichen „Planeten B" unvorstellbar groß, sondern auch deren Distanzen und die zugehörigen Zeitskalen!
Beispielsweise braucht Licht von der Erde zum Mond rund 1,5 Sekunden. Zur Sonne sind es bereits acht Minuten und zu Neptun, dem von uns am weitesten entfernten Planeten des Sonnensystems, rund vier Stunden. Das ist Lichtgeschwindigkeit, die maximal mögliche Geschwindigkeit im Universum. Die Raumsonde Voyager 1 hat zu Neptun zwölf Jahre gebraucht. Noch extremer wird es, wenn man sich andere Sterne anguckt: Proxima Centauri, unser nächstgelegener Nachbarstern, ist rund vier Lichtjahre entfernt. Ein Lichtjahr ist die Distanz, die Licht in einem Jahr zurücklegt. Wäre die Sonne so groß wie eine Murmel (womit die Erde zum Staubkorn würde), dann wäre die nächste Murmel von Hamburg aus gesehen ungefähr in Frankfurt – und dazwischen ist NICHTS, alle anderen Sterne sind noch weiter weg! Die Milchstraße hat einen Durchmesser von rund 100 000 Lichtjahren, unsere Nachbargalaxie Andromeda ist rund 2.5 Millionen Lichtjahre entfernt.
Hier kommen dann auch die Zeitskalen ins Spiel: Schneller als Lichtgeschwindigkeit kann sich nichts bewegen. Hätten also die allerersten Steinzeitmenschen vor rund 2,5 Millionen Jahren ein Signal losschicken können, dann würde es ungefähr jetzt bei Andromeda ankommen, unserer NACHBARgalaxie. Sollte dort anderes Leben existieren – was mir eher unwahrscheinlich erscheint, in so direkter Nachbarschaft und auch noch zeitgleich mit uns – und unser Signal beantworten, dann käme die Antwort in weiteren 2,5 Millionen Jahren bei uns an. Falls es bis dahin überhaupt noch Menschen gibt. Dass wir irgendwo zu Besuch hinfliegen oder sogar auf einen anderen, passenden und unbewohnten Planeten umsiedeln, ist also ausgeschlossen.
Fazit: Es gibt tatsächlich keinen Planeten B – oder wenn es ihn geben sollte, ist er definitiv zu weit weg. Am ehesten käme noch Mars in Frage, allerdings hätte ich persönlich wenig Interesse daran, auf einen tristen, leblosen Gesteinsbrocken umzusiedeln, dessen Schwerkraft viel zu schwach ist für uns und für die Existenz von flüssigem Wasser, dessen Atmosphäre zu dünn ist, um schädliche Strahlung der Sonne abzuwehren und die außerdem kaum Sauerstoff enthält und wo die Durchschnittstemperatur rund 80 Grad Celcius kälter ist als auf der Erde. Da scheint mir die Erde selbst bei den dunkelsten Klimakrisenszenarien doch immer noch attraktiver. Hier hatten wir zumindest bis vor Kurzem ein funktionierendes, fein ausbalanciertes System mit perfekten Lebensbedingungen für den Menschen. Und wir sollten alles daran setzen, diese zu erhalten bzw. wieder herzustellen. Um die Erde selbst mache mich mir übrigens keine Sorgen, die werden wir nicht „kaputt kriegen". Was wir allerdings zerstören, wenn wir die Klimakrise nicht sehr bald stoppen, ist unser eigener Lebensraum und der von unzähligen Pflanzen und Tieren, die ihren Lebensraum mit uns teilen.
Als Astrophysikerin hat man hier vielleicht noch einmal einen etwas besonderen Blickwinkel, weil einem tagtäglich vor Augen geführt wird, wie winzig – und gleichzeitig wie einzigartig – unsere Erde eigentlich ist und dass sie tatsächlich unsere einzige Chance ist. Aus genau diesem Grund wird Nachhaltigkeit auch in der Astronomie ein immer wichtigerer Aspekt, sowohl in der eigenen Forschung als auch in der Öffentlichkeitsarbeit. So gibt es beispielsweise auch die Gruppe "Astronomers for Planet Earth (A4E)", der ich ebenfalls angehöre und die das Thema Nachhaltigkeit in diesen beiden Bereichen in den Fokus der Wahrnehmung und Diskussion bringen will.
Zum Abschluss möchte ich noch auf das Bild zum diesem Blogbeitrag eingehen. Links ist „Blue Marble" zu sehen, ein Foto der Erde, das die Besatzung der Apollo 17 im Jahr 1972 aufgenommen hat. Und rechts, quasi als Zoom-out, „Pale Blue Dot", ein Foto der Erde, das die Raumsonde Voyager 1 im Jahr 1990 vom Rande des Sonnensystems aus aufgenommen hat. Ich finde, diese Fotos verdeutlichen noch einmal auf ihre ganze eigene Weise wie klein, verletzlich, einsam und einzigartig die Erde ist in den großen Weiten des Universums.
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