Zusammen ist man weniger allein - Homeoffice mit Kindern
Christine Geupel, Bereichsleitung Bildung & Schule
Unsere Kinder sind 20 Monate und 5 Jahre alt. Dass ein Homeoffice mit Kindern über einen längeren Zeitraum funktionieren kann, hätte ich nicht für möglich gehalten. Mitte März wurde entschieden, dass das ganze Team der Stiftung ab jetzt von zuhause aus arbeiten sollte, die Kitas hatten zu diesem Zeitpunkt schon geschlossen. Inhaltlich hatte ich vollstes Verständnis für die Entscheidung, aber es erschien mir nicht umsetzbar. Jetzt sind wir in Woche fünf, die Zeit vergeht wahnsinnig schnell, und Homeoffice mit Kind funktioniert besser als erwartet.
Montagmorgen, erste Woche. Wir versammeln uns zum Morgenkreis. Morgenkreis? Fühlt sich unwirklich an, absurd. Aber am Wochenende hatten wir überlegt, dass die Kinder Strukturen brauchen und wir vielleicht auch. Wir fragen den Tag ab, singen ein Lied und besprechen, was heute ansteht: Wer arbeitet wann, wann gehen wir in den Hof, und was gibt es zu essen?
Dienstagmittag, zweite Woche. Ich stehe am Herd, koche das Mittagessen und halte unsere jüngere Tochter auf dem Arm. Dabei führe ich über Headset ein Telefonat mit einer Lehrkraft, die sich für den neuen „Was zählt!“-Fonds der Stiftung interessiert. Auf dem Küchentisch liegt ein alter Briefumschlag, auf dem ich das Wichtigste notiere, während ich gleich schon wieder die Soße umrühre. Ich erkenne langsam, dass Homeoffice mit Kind noch eine ganz andere Art von Multitasking erfordert. Aber die Routine wächst, und diese Situationen fühlen sich immer normaler an. Ich habe schon unsere jüngere Tochter zur Toilette begleitet (das lässt sich leider in dem Alter noch nicht aufschieben), während ich ein wichtiges Telefonat geführt habe. Zum Glück ist nicht jedes Gespräch eine Videokonferenz...
Donnerstagnachmittag, zweite Woche. Meine ältere Tochter war immer großer Fan der Stiftung und meiner Arbeit. Sie hat mich ein paar Mal im Büro besucht, Schiffe zu sehen und der Ausblick auf die Elbe sind großartig, sie war bei Veranstaltungen und allen bisherigen Stipendiatentreffen in Ratzeburg dabei. Alles super spannend natürlich. Der Homeoffice-Realitätscheck ist ernüchternd für sie: Sie guckt mich an und kommentiert meine täglichen Aufgaben mit „Mama, das ist so langweilig. Macht dir das Spaß?“ Sie will nun lieber Ärztin werden.
Donnerstag, dritte Woche. In unserem früheren Alltag habe ich unsere Kinder in der Regel gegen 15 Uhr aus der Kita abgeholt. Mit dem Betreten der Kita werden andere Themen wichtig. Nur selten habe ich noch etwas aus dem Büro gehört, die meisten Dinge hatten bis zum nächsten Tag Zeit. Das hat sich nun komplett geändert. Genauso, wie sich meine Kinder immer wieder in den Arbeitsalltag mischen, mischt sich die Arbeit in den Familienalltag. Mein Privattelefon ist nun auch mein Diensthandy und klingelt oft. Mein Laptop ist immer griffbereit, und dringende Dinge lassen sich schnell zwischendurch noch erledigen. Am Anfang hat mich das eher gestresst, jetzt ist es schon normal und passt irgendwie zur Situation. Ich versuche trotzdem, am Nachmittag gedanklich in erster Linie bei den Kindern zu sein, was nicht immer einfach ist. Wenn gerade eine SMS angekommen ist, die mich vor ein neues Problem stellt, fällt es mir schwer, dem Redefluss meiner Tochter zu folgen, die mir erklärt, mit welchen Hilfsmitteln ihr imaginäres Pferd gepflegt und gefüttert werden muss. Aber auch hier helfen Übung und Routine.
Wir gehören zu den „Privilegierten“ in dieser Situation, wie man so schön sagt. Wir haben eine Dreizimmerwohnung, die wir weiterhin bezahlen können, wir sind nicht alleinerziehend, und ich habe eine Festanstellung und kann weiterhin arbeiten. Wir haben uns soweit eingefunden in die Veränderungen, und es läuft erstaunlich gut. Auch die Stimmung aller Beteiligten ist in der Regel gut. Aber ich müsste lügen, wenn ich nicht auch sagen würde, dass es verdammt anstrengend ist. Das ist natürlich kein Wunder, wir bringen täglich sechs zusätzliche Stunden Kinderbetreuung in unserem Arbeits- und Familienalltag unter, und ich würde auch unseren früheren Familienalltag schon als gut strukturiert und sehr durchgeplant bezeichnen. Gleichzeitig hat sich die Menge des Essens, das wir täglich zubereiten, verdoppelt. Wir bauen Sportparcours durchs Wohnzimmer, bieten Tanz-, Sing und Atelierangebote, um alle bei Laune zu halten. Hinzu kommt, dass wir etliche alltägliche Dinge wie Einkaufen und zur Post gehen nicht mehr mit den Kindern gemeinsam machen, so dass diese Zeit quasi noch oben drauf gerechnet werden muss. Manchmal ist es aber sogar ganz schön, um 21 Uhr nochmal das Haus zu verlassen, um vor Ladenschluss noch schnell ein paar wichtige Dinge einzukaufen.
Irgendwann wird der Punkt kommen, an dem wir unsere Kinder wieder zur Kita bringen – wann auch immer das sein wird. Ich bin mir sicher, wir Erwachsenen werden extrem erleichtert sein, die Kinder brauchen gleichaltrige Spielgefährtinnen und -gefährten schon jetzt dringender als alles andere. Und gleichzeitig werden wir den Lärm, das Durcheinander, die Nähe und das Zusammensein sehr vermissen. Diese Zeit ist einzigartig, im schlechten wie im positiven Sinne.
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