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Homeschooling: digitale Kompetenzerweiterung und Unterrichtsphilosophie
Sylvie-Kristin Hann, Stipendiatin bei Horizonte
In Deutschland ist homeschooling, eigentlich eher bekannt aus dem australischen Outback, nun schon seit knapp drei Wochen Teil des Alltags. Für mich eine spannende Erfahrung: Erst im Februar habe ich das Referendariat im Hamburger Schuldienst begonnen und konnte meine neue Schule, die Klassen und das Kollegium kennenlernen sowie in den Berufsalltag einer Lehrerin hineinfinden. Aktuell heißt es, Schüleraktivierung und -motivierung aus der Ferne zu gestalten und sie trotz Distanz mit interessantem Lernstoff zu versorgen.
Unterricht mit Smartboard ist selbstverständlich, in der Universität haben wir ja oft genug über den Einsatz neuer Medien im Unterricht reflektiert, oder wie die Schüler/-innen sagen: „Man sieht das bei den jungen Lehrern, die benutzen immer alle das Smartboard“.
In gewisser Weise legen wir Referendare/-innen (und sicher auch so manch anderer Kollege) einen Digitalisierungssteilstart hin. Corona stellt uns auch in dieser Hinsicht vor neue Herausforderungen: Wie damit umgehen, dass ein Teil der Schüler/-innen keine eigene E-Mail-Adresse hat, als digitales Endgerät in vielen Fällen nur ein Smartphone und kein Computer zur Verfügung steht…? Bereits die Anmeldung bei dem Online-Portal, in dem die Lehrkräfte Aufgaben hochladen und die online bearbeitbar sind, stellt einige Schüler/-innen vor Probleme, und dann sind die Funktionen auf dem Handybildschirm auch nur schwer zu erkennen. Da lernt man auch als Lehrkraft unglaublich viel dazu.
Der digitale Unterrichtsfundus hingegen ist gewaltig: Apps, bei denen mit interaktiven, multimedialen Bausteinen gearbeitet wird, Lernvideos, Blogs oder YouTube-Channels, die ich als Fremdsprachenlehrerin für mich entdecke, ganz zu schweigen von digitalen Pinnwänden, auf denen fleißig Unterrichtsideen gesammelt und miteinander geteilt werden – da geht weitaus mehr als nur Aufgaben-Scans als Anhang einer E-Mail.
Und doch dürfen wir nicht vergessen, dass digitale Fertigkeiten auch erlernt werden müssen. In der Schule können die Schüler/-innen den Umgang und den Einsatz von Technik im Unterricht erleben und auch erproben. Wenn es aber in den Elternhäusern an technischer Ausstattung mangelt, ist das in Zeiten von Corona weitaus schwieriger zu bewältigen. Ganz zu schweigen davon, dass digitale und mediale Kompetenzen weitaus mehr umfassen als das simple Bedienen eines Computers, nämlich auch eine kritische Auseinandersetzung oder Meinungsbildung im digitalen Raum befördern wollen.
Von der Anbahnung einer kritischen Haltung scheint meine Realität gerade noch etwas weiter entfernt. Da steht eher die Handhabung des E-Mail-Accounts per Smartphone im Fokus. Natürlich ist es erheiternd, wenn ich mehrere Antwortsätze in der Betreffzeile lese oder eine E-Mail mit dem Text „die Aufgabe habe ich fertig, LG“ von Belli Bongo kriege. Mit hundertprozentiger Sicherheit kann ich da sagen, dass keiner meiner Schüler/-innen so heißt. Dank des beigefügten Fotos lässt sich schon mal erkennen, aus welcher Klasse diese Aufgabe kommt, und trotzdem frage ich dann lieber noch mal nach, wessen Deckname das eigentlich ist. Die Natürlichkeit, mit der Studierende oder auch wir Referendare/-innen Seminar-Hausaufgaben auf verschiedenen Plattformen hochladen oder dank Video Call Gruppenarbeiten durchführen, lässt einen manchmal fast vergessen, dass es nicht selbstverständlich ist, digital zu arbeiten.
An meiner Schule wurde nun ein Erfahrungsaustausch gestartet, welche Fertigkeiten den Schülern/-innen auch nach Corona in der digitalen Welt vermittelt werden sollten und welche Grundvoraussetzungen sie dafür überhaupt brauchen. Vielleicht wird diese Zeit also nicht nur in Hinblick auf digitale Unterrichtsgestaltung eine spannende Zeit, sondern auch darüber hinaus eine lehrreiche Erfahrung, die hoffentlich für die Zukunft genutzt werden kann und dazu beiträgt, eine digitale Unterrichtsphilosophie zu entwickeln. Konstruktive Vorschläge sind herzlich willkommen!
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