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Digitales MUT machen in Zeiten von Corona: Wie die MUT Academy Jugendliche erreicht
Philipp Arlt, Geschäftsführender Gesellschafter bei der MUT Academy
“Wir machen Mut.” So lautet der Slogan unserer MUT Academy. Wir machen Hamburger Jugendlichen Mut, den Übergang von der Schule in den Beruf erfolgreich zu gestalten und organisieren dafür Lerncamps, Workshops und individuelles Coaching (www.mutacademy.de). Seit sechs Wochen machen wir das, wie die meisten Organisationen, mit digitalen Hilfsmitteln; aus unserem Homeoffice in die Elternhäuser unserer Stipendiaten/-innen. Mit unserer Zielgruppe gilt es dabei, besondere Schwierigkeiten zu überwinden.
Homeschooling
Viele Jugendliche und ihre Familien sind mit der neuen Situation überfordert: Die Lehrkräfte übermitteln die Schulaufgaben teilweise unkoordiniert über verschiedenste Kanäle.
“Ich habe viel Stress. Die Schule schickt sehr viele Aufgaben die wir in kurzer Zeit erledigen müssen.”
Es fehlt die Struktur des Schulalltags.
“Ich gehe immer um 6.00 Uhr morgens schlafen und stehe um 15.00 Uhr auf.”
Einige unserer MUTis leben mit acht Familienmitgliedern in einer Zweizimmerwohnung, haben keinen Computer, kein WLAN, keinen ruhigen Arbeitsplatz, sie kümmern sich um ihre Geschwister und Großeltern. Das macht es schwierig, am Homeschooling zu partizipieren. Dabei fallen die Schulleistungen (noch) weiter zurück. Vor kurzem erhielten wir außerdem die Nachricht von der Hamburger Schulbehörde (BSB), nach der nur diejenigen Schüler/-innen die Prüfungen mitschreiben dürfen, die dieses Jahr die Schule verlassen. Deshalb empfehlen wir nun all unseren Schülern/-innen in Jahrgang 9, Härtefallanträge zu stellen – sonst haben sie nächstes Jahr nur noch eine einzige Chance auf den Schulabschluss.
Ausbildungsplätze
Die Hamburger Arbeitsagentur appelliert an Firmen und Handwerksbetriebe, auch in der Corona-Krise an der Ausbildung festzuhalten und in diesem Jahr neue Azubis einzustellen – es gebe derzeit mehr als 5.000 freie Ausbildungsplätze. Trotzdem ließen die Rückmeldungen von Betrieben zunächst nach, und persönliche Bewerbungsgespräche wurden leider aufgrund der unsicheren Ausbildungssituation und Kontaktverboten abgesagt. Das nagt an der Motivation. Wir halten dagegen: Einige unserer Betriebskontakte schicken uns Videos und zeigen Offenheit für virtuelle Azubi-Speeddatings.
Die direkte, persönliche Begegnung und Beziehungsarbeit mit ihnen und den MUTis bleibt einer unserer Schwerpunkte und die Gemeinschaft neben den Lernerfolgen eine enorme Motivation. Per Telefon, WhatsApp und Videokonferenz halten wir diese Bindung aufrecht. So schicken wir spaßige “Challenges” oder Ostergrüße per Video. Zum Beispiel sollen sie sich dabei filmen, wie sie rückwärts in Körbe werfen und anschließend die/den nächste/-n Kandidatin/-en nominieren. Dank unserer Begleitung konnten sich die MUTis den Bedingungen zum Trotz diverse Bewerbungsgespräche erkämpfen: Durch stetige Erinnerungen per Telefonat und WhatsApp-Nachrichten sowie in Video-Meetings mit unseren MUTivatoren/-innen motivierten wir sie, in Form von E-Mails und Telefonaten ausdauernd nachzuhaken und nicht locker zu lassen.
Natürlich bringt diese Zeit auch Chancen mit sich: Die Digitalisierung ermöglicht uns, Jugendliche und MUTivatoren/-innen ortsunabhängig zu erreichen. Wir erstellen Videos mit unseren Workshopinhalten zur Prüfungsvorbereitung oder zur Vorbereitung auf ein (Telefon- oder Video-)Bewerbungsgespräch. Wir verleihen Notebooks, welche die MUTis zu Hause nutzen können. So müssen sie keine weiten Wege aus den Randstadtteilen Hamburgs zu uns auf sich nehmen. Sie erlernen das selbstständige Arbeiten und wichtige digitale Fähigkeiten, mit denen sie nachhaltig auch ohne uns an ihrem beruflichen Werdegang feilen können. Die Beziehungsarbeit wird teilweise intensiver, weil die Schule und damit die fachliche Auseinandersetzung reduziert sind. Wir schreiben Karten, die die MUTis glücklich machen.
Die Elternarbeit wird intensiviert, indem wir anrufen und uns erkundigen. Die Eltern können beobachten, wie und was sie zu Hause mit uns erarbeiten. Es melden sich viele ehrenamtliche MUTivatoren/-innen, die nun aus dem Homeoffice oder in Kurzarbeit online besser verfügbar sind, mehr Kapazität haben und in diesen schwierigen Zeiten sinnvolle Arbeit tätigen und den MUTis helfen wollen. Sie bekommen Steckbriefe und führen die Lehrstellenrecherche für die Jugendlichen von zu Hause aus durch oder nehmen an unseren Video-Bewerbungsnachmittagen teil. Die ersten Durchgänge dieser Angebote per Videokonferenz verliefen nach einigen technischen Tests mit den MUTis sehr erfolgreich, sodass sich bereits einige Bewerbungsgespräche ergeben haben.
Auch von Stiftungen und Förderern erhalten wir viel Unterstützung, so auch durch die Hans Weisser Stiftung: Wir bekommen liebevolle Anrufe und Notebookspenden und können zusätzliche Gelder für die Digitalisierung beantragen. Das tut gut und macht uns Mut. Nur gemeinsam können wir diese herausfordernden Zeiten meistern und dafür sorgen, dass unsere Jugendlichen nicht (noch weiter) abgehängt werden.
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